Die Füße allerdings mit ihren zehn fast gleich großen Zehen liegen brav übereinander und wirken fast plump – volkstümliche Einfachheit, naive Schlichtheit, von den Qualen der Folter keine Spur, bis auf das Loch im Fußspann, wo der Nagel fehlt.
Die Tortur ist überstanden, der Leichnam vom Kreuz abgenommen. Wobei die Beine nur bis auf Kniehöhe ausgearbeitet sind, der Körper ist nur angedeutet, abstrahierte Wirklichkeit.
So bleibt die Gestalt des Gekreuzigten ein wenig versteckt, als wolle er sich einerseits nicht ganz offenbaren, und als habe andererseits den Künstler eine gewisse Scheu davon abgehalten, deutlicher zu werden - um der Sache nicht zu nahe zu treten, nicht aufdringlich zu werden, ein Geheimnis zu wahren?
Oder mangelte es ihm an Zuversicht?
Oder ist ihm dieses Symbol, dieser Christus letztlich ein Rätsel?
Einen Bauchnabel hat der Bildhauer dennoch gewagt. Doch etwas Wesentliches nicht: die Arme.
Dieser Jesus hat keine Arme. Er hat nichts mehr zum Ausbreiten und Austrecken.
Der menschgewordene Gott kann in Sankt Maternus die Welt nicht mehr umgreifen, umfassen, umarmen, wie das Kreuzsymbol seit je gedeutet worden ist.
Dabei steckt in diesem riesigen und massiven Körper doch so viel Kraft, Ruhe und Erhabenes: Die wie gekämmt wirkenden Linien der stilisierten Bartspitze zeugen davon, romanische Königswürde.
Aber es ist eben nur der halbe Bart, die untere Hälfte. Denn das Antlitz ist verdeckt, verhüllt, von einer Dornenkrone ohne Dornen, als sei sie vom Schädel ins Gesicht gerutscht, ein Geflecht, das das Haupt des Gekreuzigten umschlingt wie Schlangen.
Wo ist hier noch Hoffnung auf Erlösung?
Wollte der Künstler möglicherweise nichts über den Gekreuzigten sagen, sondern darüber, was wir Christen aus dem Gekreuzigten und dem Symbol des Kreuzes und den Symbolen der Liturgie gemacht haben und machen?