Wir lebten mal in einer Obrigkeitsgesellschaft. Da saß der Herrscher auf dem Thron, und das Volk verharrte demütig in der Tiefe. Das stellten die alten Kirchen auch in der Architektur dar, Stufen, Stufen und Stufen, und hoch oben der Priester, der vor dem Herrscher für das Volk eintrat. In der Architektur und in der Liturgie hat sich das zum Glück geändert, in der Mentalität noch lange nicht.
Die Priester, die Bischöfe und den Papst nicht als "Herren" und "Herrscher" zu sehen und zu behandeln, sondern als Geschwister, die mit uns auf dem Weg sind, das ist angesagt. Ein Glück, dass wir Papst Franziskus haben, der das in seinem Verhalten deutlich macht.
Nachdem Gott mit seinem Volk auf dem Weg ist und Jesus, unser Bruder, auf dieser Erde lebte, brauchen wir keinen Thron mehr. Er steckt noch in vielen Kirchenliedern drin, aber ob das im Sinne Jesu ist …?
Was und wem nützt es, im Gottesdienst offizielle Gebete zu hören - Übersetzungen alter, abstrakter lateinischer Gebete, die die Herzen nicht berühren und oft etwas unverständlich sind?
Auch Dogmen und Glaubenssätze sind nicht vom Himmel gefallen, sie haben nicht schon immer existiert.
Bei unterschiedlichen Meinungen wurde gestritten und diskutiert – das Dogma war der Endpunkt, eine Einigung, manchmal ein Kompromiss. Und das geschah jeweils in einer bestimmten Zeit, ausgesprochen für diese Zeit. Tausend Jahre später ist vieles von dem, was man früher formulierte, unverständlich, vielleicht sogar überflüssig.
Viele Glaubensaussagen müssten neu formuliert werden, von einigen sollte man Abschied nehmen. Die alten Glaubensbekenntnisse sind durchaus renovierbar oder wären durch zeitgenössische Texte zu ersetzen, die dann ihrerseits auch keinen Ewigkeitscharakter haben müssen.
Die Kirche muss sich bewegen und verändern, sonst wird sie zu einem großen, ja überdimensionalen Freilichtmuseum.
Dann sagen die Leute: "Ist ja ganz nett, kann man brauchen für Feiern zu besonderen Anlässen im Leben. Aber ansonsten bitte nicht unser Leben stören." Als einziges Kriterium für die Kirche darf gelten: Werden wir dem Anliegen Jesu gerecht, und wird es durch uns in diese Welt hinein verkündet?
♦
Johannes Krautkrämer, Pfarrer im Ruhestand