Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Dem Aufhören(-können) auch

Nicht nur jedem Anfang, auch jedem Ende kann ein Zauber innewohnen. Es tut gut, etwas zu einem guten Ende zu bringen, frei zu werden, um auf Altem aufbauend sich Neuem zuwenden zu können. Es kann aber auch schwerfallen loszulassen, Routinen des Alltags zu überwinden und Abschied zu nehmen. Denn Aufhören ist nicht vorgesehen in unserer beschleunigten Nonstop-Gesellschaft. 

Trotz aller Versuche das Gegenteil zu erreichen ist und bleibt der Mensch aber ein endliches und begrenztes Wesen – Gott sei Dank! Seine Fähigkeiten, seine Möglichkeiten, ja sein Leben ist begrenzt. Und auch die Erzählung von einem unbegrenzten Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft hat sich längst als Märchen erwiesen. Da könnte man annehmen, dass "Aufhören können" für den Menschen das Normalste in der Welt sein sollte. Denn aufhören – das tun wir ja eigentlich ständig – wenn auch sehr unterschiedlich konnotiert.

Ein Blick in die Ratgeber-Abteilung in den Buchläden unserer Zeit gibt Aufschluss darüber, womit sich unsere Gesellschaft gegenwärtig beschäftigt. Es gibt eine große Bandbreite an Themen, zu der es Fachliteratur und Handreichungen für den Alltag gibt. Man kann in zigfacher Variation erfahren, was für ein gesundes Leben unentbehrlich ist, wie es gelingt ein neues Hobby zu finden oder mit welchen Steuertricks kostenoptimiert gelebt werden kann. Es gibt Ratgeber, die erklären, wie man zu sich selbst findet, Nachschlagewerke für den Aufbau eines Start-ups und sogar Ratgeber für das erfolgreiche Scheitern. Das Thema "Aufhören können" ist jedoch rar. Und das ist schade. Denn das Aufhören und das Abschiednehmen von liebgewonnen Lebensinhalten gehört, so verschieden es in der jeweiligen Lebensgestaltung auch sein mag, zum Leben des Menschen dazu, und dem Aufhören können wohnt so mancher Zauber inne. 

Zum Aufhören können gehört der Zauber der Weitsicht. Den richtigen Zeitpunkt für das Aufhören zu finden ist sehr wertvoll. Aus freien Stücken dankbar – wenn auch wehmütig – aufzuhören, fühlt sich doch ganz anders an als aufhören zu müssen, weil äußere Zwänge dazu führen. Schon der Autor des alttestamentlichen Buchs Kohelet wusste, dass alles seine Zeit hat – so auch das Aufhören.

Damit verbunden ist der Zauber der Dankbarkeit. Wie schön ist es, dankbar sein zu können für Erlebtes und Erreichtes, ganz ohne Bitterkeit, enttäuschte Hoffnungen und unerfüllte heimliche Wünsche. 

Nicht nur im Streit und in der Auseinandersetzung gehört zum Aufhören der Zauber des Hinhörens, der Gutmütigkeit, der Barmherzigkeit und der Versöhnung. Ausdruck gewinnt dies dadurch, dass in einer Meinungsverschiedenheit auch mal "fünf gerade" sein und dem Gegenüber seine Meinung gelassen werden kann. 

Ganz unmittelbar mit dem Aufhören können verbunden sind der Zauber des Neubeginns und der Zauber der Freiheit. Erst wenn bestehende Verpflichtungen, egal ob geliebt oder ungeliebt, nicht mehr bestehen, kann Neues entstehen. Der oder die Aufhörende selbst kann sich anderen Dingen widmen – eine Win-win-Situation für alle. 

Aufhören, auch wenn es noch so schwerfallen mag, kann also wahrlich auch einen Zauber innehaben.
 
Stefan Burtscher (Pastoralreferent)

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