Aufhören im Beruf

Gut vorbereitet hat Dr. Barthel Schröder sich auf den Abschied aus einem ungewöhnlich bewegten Berufsleben. Seine Ausbildung zum Diakon war dabei sehr wichtig; inzwischen ist er auch Diakon im Ruhestand.

Nach jahrzehntelanger Tätigkeit als leitender Manager in einem Großkonzern habe ich mich auf den Ruhestand gefreut. Rentner hieß für mich: kein zehnstündiger Arbeitstag, keine Sechs-Tage-Woche, keine Flüge an den Wochenenden, keine stundenlangen Sitzungen, kein Stress wegen Produktionsausfällen oder Materialmangel, kein Kampf um die Erhöhung der Rendite.

Und ich hatte mich auf den Wechsel ins Rentnerdasein vorbereitet, um nicht wie zahlreiche Kollegen in ein "Loch" zu fallen: Umzug nach Köln mit räumlichem Abstand zum Unternehmen, Ausbildung zum Diakon, um ehrenamtlich in einer Pfarrei arbeiten zu können, lernen der hebräischen Sprache, um das Alte Testament im Urtext zu lesen.

Und doch war dieser Wechsel in den Ruhestand viel schwerer als gedacht. Zunächst erschien die neue Freizeit wie ein langer Urlaub. Doch dann wurden Dinge vermisst: die Macht, Dinge gestalten und entscheiden zu können, Mitarbeiter, die einem weitgehend alles abnahmen, die Anerkennung für gebrachte Leistungen, die Reisen in fremde Länder.
Und eine Seite der beruflichen Tätigkeit holte mich unerwartet ein. Zwölf Umzüge, Leben in Brasilien, Spanien und China ließen nie ein Netzwerk von Freunden entstehen. Außerhalb der Familie sind bereichernde Kontakte und Neuanfänge selten und fallen nicht mehr so leicht.

Und noch etwas hatte ich nicht bedacht. Das Zusammenleben in der Familie änderte sich. Hatte bisher alles meine Frau geregelt und entschieden, glaubte ich nun, auch gehört werden zu müssen, wusste vieles besser oder auch nicht, hatte ungewohnte Arbeiten im Haushalt zu übernehmen und stellte mich nicht selten dabei ungeschickt an.

Mir hat, um in einen gelungenen Ruhestand zu finden, meine "Vorplanung" geholfen: die Arbeit in St. Severin, die mir direkt spirituelle, theologische und pastorale Heimat war, der hebräische Lektürekurs an der Bibelschule, die räumliche Entfernung vom Unternehmen, die ein Neinsagen bei Rückfragen ermöglichte. Geholfen hat mir ein Haus in der Normandie mit einem Garten, der zu pflegen ist. Am meisten aber hat mir die Geduld, die Zuneigung und die gelegentliche Zurechtweisung meiner Frau geholfen, den Ruhestand genießen zu können. Diese Phase des Übergangs hat aber wider Erwartung mehr als ein Jahr gedauert.

Nun hat mein letzter Lebensabschnitt begonnen. Krankheiten und altersbedingte Gebrechen haben mich die geliebte Arbeit in der Pfarrei beenden lassen müssen. Auch die Gartenarbeit ist beschwerlich geworden. So hört vieles auf. Ich ertappe mich immer häufiger dabei, dass ich an das Vergangene denke, an das Gelungene und das Misslungene.  Aber ich habe die Hoffnung, dass Gott einst die Bruchstücke meines Lebens zu einem Ganzen zusammenfügen wird. Und das endgültige Aufhören rückt unweigerlich näher. Ob man sich darauf vorbereiten kann? Ich habe noch keine Antwort gefunden. 
 
Dr. Barthel Schröder, Diakon im Ruhestand

Gartenpflege in der Normandie – Management im Ruhestand (c) privat

Gartenpflege in der Normandie – Management im Ruhestand