Mitgegangen

Diakon Dr. Barthel Schröder beschreibt eine folgenreiche persönliche Begegnungserfahrung.

Als Jugendlicher bin ich in Exerzitien auf eine Begegnung im Johannes-Evangelium gestoßen, die mich nie mehr losgelassen hat und die mich bis heute begleitet und führt. Die Erzählung ist sehr kurz und wird leicht überlesen: "Die beiden Jünger hörten, was er (Johannes) sagte, und folgten Jesus. Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi, wo wohnst du? Er antwortete: Kommt und seht!" (Joh 1, 37-38)

Der Wunsch der Jünger, die Adresse seiner Wohnung zu erfahren, ist verständlich. Kennt man den Ort, wo einer sich aufhält, dann kann man ihn sicher antreffen bzw. besuchen, wenn man es will. Er wird in gewisser Weise verfügbar, auch wenn man einmal länger dort auf ihn warten muss.

So verständlich die Frage der Jünger auch ist, so ist sie Jesus gegenüber doch ohne Sinn, denn Wanderprediger haben gar keine Wohnung. Als der Evangelist sein Evangelium schrieb, war dies schon vergessen, denn er fährt fort: "Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte" (Joh 1,39). Die Antwort Jesu ist zudem weniger eine Antwort auf ihre Frage als eine Einladung, und Mitkommen und Sehen beinhaltet viel mehr als die Information zu einer Wohnung.

Nur der lernt Jesus näher kennen, der mitgeht. (c) Horst Schaub - pfarrbriefservice.de

Nur der lernt Jesus näher kennen, der mitgeht.

Für mich wurde in dieser Begegnung deutlich, dass man den Auferstandenen nicht "haben", ihn nicht irgendwo sicher antreffen kann, sondern dass das Ihn-Sehen nur über die Nachfolge möglich ist. Nur derjenige lernt diesen Jesus von Nazareth näher kennen, der mitkommt, der seinen eigenen Lebensweg an ihm ausrichtet; nur wer sich in seinem Leben wirklich auf diesen Jesus einlässt, hat die Chance zu erfahren, wer er ist, und wie der Gott, den er seinen Vater nannte, zu den Menschen ist.

Folgt man aber einem, so kann man ihn auch aus den Augen verlieren, wenn man den Abstand zu groß hat werden lassen. Wie oft ist mir dies in meinem Leben trotz allem guten Willen doch passiert. Nicht selten glaubt man auch, den Weg des "Verfolgten" vorab zu kennen und darum eine Abkürzung, eine leichtere Strecke nehmen zu können. Immer abhängig von einem anderen auf dem Lebensweg zu sein, ist gerade heute nicht leicht zu ertragen. Als einmalige Person ernstgenommen zu werden, sich selbst verwirklichen zu können, kann Nachfolge leicht als Einengung und unnötigen Ballast erleben lassen. Auch diese Erfahrungen sind mir nicht fremd.

Doch dieser Jesus lässt sich immer wieder finden, auch wenn man ihn einmal eine längere Zeit aus den Augen verloren hat. Diese Erfahrung habe ich in meinem Leben machen dürfen. Als ich erfuhr, dass ein Kollege den Weg zum Diakon gegangen war, fühlte ich mich auf einmal von Jesus in der Weise angesprochen, dass das auch meine Nachfolge in der späten Lebensphase sein sollte. Ich habe mich auf diesen Ruf eingelassen.

Eine dreijährige Ausbildung in einem Berufsleben zu realisieren, das den 10- bis 12-Stundentag als Normalität kannte, und nicht zuletzt auch den Samstag als Arbeitstag, schien schier unmöglich. Doch während zum Leidwesen der Familie sehr häufig private Termine bis hin zu geplanten Urlauben der beruflichen Notwendigkeit zum Opfer fielen, konnte ich alle Termine der Ausbildung, auch diejenigen, die ein, zwei Wochen dauerten, absolvieren. Ich glaube fest daran, dass sein Ruf "Komm und sehe" dies möglich gemacht hat.

Meine Erkrankungen zeigen mir unmissverständlich, dass ich auf der Zielgeraden meines Lebens angekommen bin. Nicht nur seinen "Rücken", sondern ihn einst selbst zu sehen, ist meine Hoffnung.