Archiveinsturz - Nach der Katastrophe

Familie O. im neuen Heim (c) privat

Wie geht es den Menschen, die den Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009 als Anwohner in unmittelbarer Nähe erlebt haben? Familie O. berichtet Claudia Pabich von der Pfarrbriefredaktion, wie sich ihr Leben durch dieses Ereignis verändert hat.

 

Es ist Danielas 40. Geburtstag. Sie sitzt mit ihrem Mann Thomas, ihren Söhnen Philipp und Max (damals 10 und 8 Jahre alt) und ihren Eltern zusammen und feiert, als ihre Welt erschüttert wird. Das Stadtarchiv, in dessen unmittelbarer Nähe die Familie lebt, ist eingestürzt. Zunächst herrscht Totenstille, die Staubwolke schluckt allen Lärm, mit dem die Familie auch schon in den Jahren vor der Katastrophe leben musste. Dann nimmt der Lärm von Feuerwehr-, Kranken- und Polizeiwagen und Hubschraubern stundenlang nicht ab. Alle Helfer wirken überfordert. Trotzdem – in der Nachbarschaft, zu der es nie viel Kontakt gegeben hat, erlebt die Familie aber auch, wie einander spontan geholfen wird.

"Wichtig für uns war, dass wir an dem Tag alle zusammen waren und das Unglück gemeinsam erlebt haben", stellt das Ehepaar fest. Wohlgetan hat die spontane Hilfsbereitschaft, besonders auch aus der Gemeinde St. Severin. Genervt haben die Anrufe von "sensationsgierigen Bekannten, zu denen man schon lange keinen Kontakt mehr hatte".

Als die Familie abends noch einmal in die Wohnung geht, um das Nötigste zu packen, stellt sie fest, dass die Geburtstagskerze noch brennt, "ein irgendwie tröstliches Zeichen". Die Familie zieht zunächst zu Danielas Eltern. Nach ein paar Tagen darf Thomas ein paar wichtige und liebgewonnene Dinge aus der Wohnung holen und erlebt entsetzt, wie ihn Gaffer dabei fotografieren. Nach zwei Wochen ziehen sie zurück in die Wohnung.

Viele Bekannte denken, das Schlimmste sei nun überstanden, die Signale der Anteilnahme nehmen ab. Dabei gelingt es den O.s nie mehr, sich am Georgsplatz heimisch und sicher zu fühlen. Ihre Kinder sind traumatisiert, wollen nicht mehr alleine in ihren Zimmern schlafen. Jede Erschütterung, jede Sirene, ein Stromausfall, wie er überall in Köln passieren kann, verursacht Panik. Einige Freunde kümmern sich in dieser Zeit umso mehr um die Familie. "Unser Freundeskreis hat sich seitdem erweitert, und die Beziehungen zu manchen Freunden haben sich intensiviert", stellt das Ehepaar einhellig fest.

Enttäuscht sind sie von der KVB. "Wir sind da wohl durch irgendein Raster gefallen", glaubt Thomas O.. "Niemand von der KVB ist auf uns zugekommen. Es gab zwar eine Anlaufstelle, aber dort musste jede Hilfeleistung mühsam durchgesetzt werden." Schon nach kurzer Zeit ist der Familie klar, dass sie in der Wohnung nicht weiter leben wollen, zumal das ganze Areal ständig taghell beleuchtet ist, die Lärmbelastung nicht abnimmt und der Balkon nicht mehr benutzt werden kann.

Die Wohnungen, die ihnen angeboten werden, entpuppen sich als zu "zu klein, zu teuer, zu weit weg". Schließlich ergibt sich eine Lösung: Im Mai kann 2010 kann die Familie in ein Haus in der Südstadt ziehen, das der Pfarrgemeinde gehört. Hier wollen die O.s, die inzwischen wieder zur Ruhe gefunden haben, lange bleiben.

Nach der alten Gegend sehnen sie sich nicht zurück. "Zehn Jahre haben wir dort gelebt, mit Freude sind wir dort eingezogen, viel Zeit und Mühe haben wir in die Verschönerung der Wohnung gesteckt, viele schöne Erlebnisse haben wir dort als Familie gehabt", stellt Daniela O. fest. "Aber eigentlich war die Gegend um das Stadtarchiv immer auch ein wenig öde", ergänzt sie, "und nun wohnen wir mitten im Leben".