"Warum ich gern taufe"

- erzählt Pfarrer Johannes Quirl der Pfarrbriefredaktion

 

Wie viele Menschenkinder haben Sie in Ihrer Zeit als Priester schon getauft?

Wenn ich überlege, dass ich ungefähr drei Kinder im Monat taufe und das seit 30 Jahren, dann komme ich auf ungefähr tausend Taufen – ein schönes Gefühl!

Und was ist das Schöne für Sie bei der Taufe?

Mit der Taufe feiern wir das Leben, den Beginn eines neuen Lebens. Und was kann es Schöneres geben?

Sie haben hier Ihre eigene Taufkerze auf dem Tisch stehen ...

Ja, beim Blick auf die Daten (sie stehen auf dem Kerzenkarton), stelle ich fest, dass zwischen meiner Geburt und meiner Taufe nur zwei Tage lagen. Das bedeutet, dass meine Mutter vermutlich noch im Wochenbett lag und gar nicht bei meiner Taufe anwesend war. Das ist heute glücklicherweise anders. Nach einer Liturgiereform ist die Taufe wohltuend aufgewertet worden. Sie ist heute eine eigens gestaltete Feier, nicht mehr ein Anhängsel eines normalen Gottesdienstes. Die älteren Geschwister eines Täuflings bringen oft ihre eigenen Taufkerzen mit und können so in die Feier miteinbezogen werden.

Wenn die Taufe so wichtig ist, sollte dann nicht jedes Kind seine eigene Tauffeier haben?

In der Liturgiereform nach dem II. Vatikani­schen Konzil wurde gewünscht, dass mehrere Kinder gemeinsam getauft werden sollen. Das halte ich auch für sinnvoll, um deutlich zu machen, dass das Kind mit der Taufe in eine Gemeinschaft aufgenommen wird. Außerdem muss Freude auch geteilt werden. In den Vorgesprächen mit den Eltern der Täuflinge erlebe ich oft eine große Offenheit, ein echtes Interesse aneinander, manchmal auch lustige Parallelen und Gemeinsamkeiten. Die Eltern überlegen gemeinsam, wie die Feier gestalten werden kann. Sie stellen ein Liedheft zusammen, das manchmal auch mit einem gemeinsamen Bild der Kinder versehen ist.

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Und wie viele Kinder werden gemeinsam an einem Termin getauft?

Es sollten nicht mehr als drei Kinder zusammen getauft werden. Wir bieten zwei Tauftermine im Monat an (einen in St. Severin und einen in St. Maternus), und das kommt auch meistens gut hin. Eine Ausnahme machen wir, wenn Kinder erst kurz vor ihrer Erstkommunion getauft werden. Das waren in einem Jahr gleich neun Kinder, die in der Sonntagsmesse im Beisein der Gemeinde getauft worden sind.

Wie ist es für Sie, wenn Eltern um die Taufe ihres Kindes bitten, die der Kirche eher fern stehen?

Wenn Eltern sich entscheiden, ihr Kind taufen zu lassen, haben sie einen Weg hinter sich, haben schon viele Überlegungen angestellt. In den Taufgesprächen geht es auch oft um die Lebens- und Glaubensgeschichte der Eltern. Viele fangen hier an, darüber noch einmal genauer nachzudenken. In meiner früheren Gemeinde baten mich zu Beispiel Eltern um die Taufe ihres Kindes, die beide aus der Kirche ausgetreten waren. Einer der Paten, ein Theologiestudent, versprach, die religiöse Erziehung des Kindes zu begleiten. Und dann waren es genau diese Eltern, die sich später sehr in der Vorbereitung von Kleinkindergottesdiensten engagierten. Ein Elternteil ist dann auch wieder in die Kirche eingetreten. Und am 1. Mai habe ich die Tochter meiner Patentochter in Radebeul bei Dresden getauft. Die meisten Mitfeiernden hatten mit Kirche nichts zu tun – und es war spannend, auch die Gespräche beim anschließenden Fest!

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Oft gehören Eltern verschiedenen Konfessionen an. Ist das problematisch?

Nein. Häufig sind evangelische Elternteile sangesfester, bringen eigene Traditionen ein, erinnern sich z.B. wieder an ihren eigenen Tauf- oder Konfirmationsspruch, der dann in die Feier integriert werden kann. In den Fürbitten beten wir ja auch immer für die Christen aller Konfessionen.

Was sagen Sie Großeltern, die traurig darüber sind, dass ihre Enkelkinder nicht getauft sind?

Dass sie dafür nicht verantwortlich sind, da die Taufe immer in der Entscheidung der Eltern liegt, was ich auch für richtig halte. Ich sage ihnen aber auch, dass ihre Kinder die Werte, die sie ihnen mit auf den Weg gegeben haben, sicher irgendwie auch leben, wenn auch vielleicht anders. (Ich habe schon erlebt, dass Großeltern ein Kind zur Taufe anmelden wollten, und dieses abgelehnt. Als die Großmutter drohte, das Kind notzutaufen, habe ich ihr das sehr vehement ausgeredet.)

Mit 14 Jahren werden Jugendliche religionsmündig. Haben Sie schon einmal einen Jugendlichen gegen den Willen der Eltern getauft?

Einer meiner Neffen, dessen Eltern beide aus der Kirche ausgetreten sind, bat mich eines Tages um die Taufe. Als die Eltern bemerkten, wie intensiv der Junge sich mit dem Glauben auseinandersetzte und wie ernsthaft seine Entscheidung war, standen sie ihm nicht im Wege. Im Gegenteil, sie haben dann einen sehr schönen Rahmen für die Feier geschaffen. Zu Ihrer Frage: Ich würde immer versuchen, sowohl dem Willen der Jugendlichen gerecht zu werden als auch um Verständnis bei den Eltern für die Entscheidung ihres Kindes zu werben.

Wie ist es für Sie, wenn für Verwandte oder Freunde der Familie nicht die Taufe an sich, sondern Fotos oder Videoaufnahmen der Taufe im Vordergrund zu stehen scheinen?

Ich sage im Vorfeld ganz klar, wann fotografiert werden darf und wann nicht. Ich erinnere mich an eine Taufe, wo ein Teilnehmer mich bat: "Herr Kaplan, können Sie bitte das Kind noch einmal taufen, das Blitzlicht hat nicht funktioniert!" Ihm habe ich gerne erklärt, dass es sich bei der Taufe um einen einmaligen Akt handelt. Wenn jemand die Konfession wechselt, wird er übrigens auch nicht ein zweites Mal getauft.

Manche Teilnehmer an Taufen sind sicherlich auch mit den Ritualen wenig vertraut ...

Ja, das ist so, und dann ist es unsere Aufgabe, die Liturgie so zu feiern, dass sie ansprechend ist, die Zeichen der Taufe sprechen zu lassen. Wir müssen das neue Leben und die Bitten, die für den Täufling formuliert werden, miteinander ins Gespräch bringen.

Was ist damit gemeint?

Alles darf und nichts muss ins Wort gesetzt werden; alles, was die Eltern bewegt, soll Raum haben … dass – wenn wir das Leben des Neugeborenen feiern – auch Raum entsteht zum Beispiel für die Trauer um ein gestorbenes Geschwister. Dann gelingt uns etwas sehr Wesentliches.

Das Gespräch mit Pfarrer Johannes Quirl führte Claudia Pabich.