Welch große Bedeutung die Taufe für die frühen Christen hatte, können wir uns heute kaum noch vorstellen.

In der Kirche der ersten Jahrhunderte wurden nur Erwachsene getauft, die sich lange auf dieses Sakrament vorbereitet hatten. Es gab nur einen Tauftermin: die Osternacht. Es gab nur einen, der das Sakrament spendete: den Bischof. Vielfach gab es eigene Gebäude nur für die Taufe: die Baptisterien.

Wer getauft werden wollte, hatte Leu­mundszeugen mitzubringen. Die bestätigten dem Bischof, dass der Täufling auch im Alltag ein christliches Leben führte. Und der Täufling wurde ganz eingetaucht ins Wasser, oder ganz übergossen – ein Zeichen für die Rei­nigung und ein Zeichen für die Verbundenheit mit Jesus: Sein Tod und seine Auferstehung wurden zeichenhaft am Täufling vollzogen.

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Im Laufe der Geschichte wurde das dann ziemlich umgekrempelt. Nicht mehr Er­wachsene, sondern Säuglinge konnten schon getauft werden. Da man von denen kein Bekenntnis erwarten konnte, übernahmen die Leumundszeugen eine andere Aufgabe. Sie konnten schlechterdings nicht bestätigen, dass der Säugling schon ein christliches Leben führte. So gaben sie dem Täufer das Versprechen ab, sich dafür einzusetzen, dass aus dem Kind mal ein Christ würde. Auf diese Weise entstand das Patenamt. Es wurde nicht mehr nur an Ostern getauft, sondern die Taufe war zu jeder Zeit möglich. Auch war die Tauffeier kein großes Fest der Kirche mehr, sondern degenerierte sozusagen zu einer Familienfeier.

Wie kam es zu dieser Veränderung? Es gab dafür sicher viele Gründe.

Ein Grund dürfte die Lehre von der "Erbsünde" gewesen sein. Die Menschen fragten sich: "Warum gibt es so viel Böses in der Welt? Woher kommt das Böse? Wir wollen gut sein und liebevoll leben. Und doch gibt es in jedem Menschenleben Bosheit und Sünde." Das hat man versucht, mit der Lehre von der "Erbsünde" zu erklären. Von Adam und Eva an würde das Böse von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Alle Menschen seien mit dieser Schuld belastet. Und nur durch die Taufe könne der Mensch von der Erbsünde befreit werden. Das konnte man zwar nicht nachprüfen, und die Erde wurde nicht auch unbedingt besser und heiler, wo getaufte Menschen lebten, aber alle haben daran geglaubt.

Dies hatte auch sehr praktische Folgen. Ein ungetauftes Kind wurde nicht durch den Priester und schon gar nicht in "geweihter" Erde, d.h. auf einem kirchlichen Friedhof begraben. Und es konnte auch nicht das jenseitige Heil erreichen, sondern kam in den so genannten limbus puerorum, die Vorhölle. Darum hatten die Eltern, die für ihr Kind natürlich alles erdenklich Gute tun wollten, ein hohes Interesse daran, es möglichst schnell taufen zu lassen. Bei einem solchen Verständnis der Taufe gerieten der Glaube und das Bekenntnis zu Jesus arg in den Hintergrund.

Nachdem der Papst nun aber die Vorhölle, den Ort, der für die ungetauften Kinder bestimmt gewesen sein soll, "abgeschafft" hat, sieht man das natürlich etwas anders. Die entscheidende Weichenstellung geschah im II. Vatikanischen Konzil (Okt. 1962 bis Dez. 1965): Jeder Mensch, der ehrlich nach seinem Gewissen lebt, wird das ewige Heil erlangen, auch wenn er nicht getauft ist.

Mit diesen Überlegungen über jenseitige Bereiche tun wir uns heute etwas schwer. Darum sind die diesseitigen Zeichen, die mit der Spendung der Taufe verbunden sind, umso ausdrucksstärker und lebendiger.

In der Taufe wird jedem das Kreuzzeichen auf die Stirn gezeichnet und damit gesagt: "Du gehörst nicht dem Staat, nicht deinem Arbeitgeber, nicht der Kirche – sondern allein dem, dem wir das Leben verdanken." Und wir glauben, dass Gott zum Täufling die gleichen Worte spricht, die er zu Jesus gesagt hat, als dieser im Jordan getauft wurde: "Du bist mein geliebter Sohn", oder, so dürfen wir heute hinzufügen: "meine geliebte Tochter".
"Ich liebe dich! Ich will, dass du bist, dass du so bist, wie du bist, mit all deinen Mög­lichkeiten und all deinen Grenzen."
(Die Bedeutung der anderen Zeichen des Sakramentes werden im Artikel „Wirksame Zeichen“ auf S. 20 erläutert.)

Alle christlichen Kirchen verbindet der Glaube an die eine Taufe. Wer getauft ist, ist getauft. Das kann man nicht rückgängig machen, das kann man nicht wiederholen. Man kann auch nicht, wie so oft gesagt wird, "umtaufen". Wenn jemand aus einer Kirche austritt und in eine andere Kirche eintritt, wird die Taufe nicht wiederholt.

Und so sollten wir – ähnlich wie bei der Frage nach dem halbleeren oder halbvollen Glas Wasser – zuerst mal das Positive, das Ge­mein­same aller Christlichen Kirchen sehen, das uns durch die Taufe geschenkt wird: Wir gehören durch die Taufe zu dem pilgernden Gottesvolk, wir gehören Jesus Christus an. Und alle konfessionellen Unterschiede verlieren dann etwas von ihrer Bedeutung. "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe!" (Epheserbrief Kapitel 4, Vers 5)

Johannes Krautkrämer, Pfarrvikar