Dreimol vun Hätze …

Karneval feiern, das gehört zum Severinsviertel und natürlich auch zur Pfarrei St. Severin. Inga Rapp feiert nicht nur gern Karneval, sie spielt auch in der "Hauskapelle". Neben Kirchenmusik gehört auch Kölsches zum festen Repertoire dieser gemeinde-eigenen Band. Seit der Talente-Aktion zur Sanierung von St. Severin gehört der "Zug durch die Gemeinde" zum festen Jahresplan des Ensembles. Die "Hauskapelle" zieht nach alter Tradition mit Instrumenten, Gesang und karnevalistischem Liedgut durch die Kneipen der Südstadt.
 

"Denn wenn et Trömmelche jeht, dann stonn mer all parat …"

Ich gebe zu, der Klang eines Trömmelchens reizt mich wenig.

Aber was mich in der fünften Jahreszeit magisch anzieht, sind die Klänge einer Lyra – dieses Instrument, das aussieht, als würde man ein überdimensionales Xylophon verkehrt herum halten.

Der Klang der Lyra ist warm und freundlich, dabei jedoch gleichzeitig so durchdringend, dass man ihn noch mehrere Straßen weit weg wahrnimmt.

Während der Session begegnet die Lyra einem ab und an im ganz normalen Alltag, wenn die Spielmannszüge der Garden durch die Stadt ziehen. Und natürlich "am Zoch" Rosenmontag. Ohne Spielmannszüge und Kapellen kann ich ihn mir gar nicht vorstellen!

Um so befremdlicher erscheinen dann Ideen dazu, Kapellen und Spielmannszüge aus dem Rosenmontagszug herauszustreichen, um insgesamt zu kürzen.


Aber die Zeiten ändern sich. Als ich klein war, gab es Dinge im Fastelovend, die unverrückbar erschienen: das Gruppenkostüm der Familie und Freunde zum Beispiel, dessen Mini-Ausgaben jedes Jahr neu genäht wurden, weil wir Kinder die Eigenschaft hatten zu wachsen.

Kostüme waren selbstgenäht, Punkt, anders konnte ich mir das lange nicht vorstellen. Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich fast geschämt habe, als ich nach Auszug von zu Hause das Kleid, das die Grundlage für mein Meerjungfrauen-Kostüm bilden sollte, im Second-Hand-Laden fertig kaufte, um es hernach ausführlich zu dekorieren, weil ich es selbst nicht hätte nähen können.

Heute ist "fertig kaufen" schon lange kein Makel mehr; es gibt große Geschäfte, die je nach Preislage sogar sehr ordentliche Qualität bieten.


Neuzugezogenen brachte ich zu Jugendzeiten "en janze Hääd Leedcher" bei, schließlich wurden in den Kneipen völlig andere Dinge gesungen als auf Sitzungen oder am Zugwegrand. In letzteren Fällen galten zudem verschärfte Bedingungen: da sang niemand vor, sondern da musste man anhand der Melodie (für echte Experten: anhand eines maximal drei Töne umfassenden Intros!) erkennen, ob man "Ritsch-Ratsch, de Botz kapott" singen sollte oder "Agrippina Agrippinensis".

 Mitsingen gehört auch heute noch als ein wesentliches Element dazu, aber häufig genug kommt die Musik dazu vom Band.

Natürlich sind nachbearbeitete Studio-Aufnahmen schöner anzuhören als eine grölende Gruppe Menschen, die zeitgleich mindestens doppelt so viele Tonarten von sich gibt wie Mitsänger vorhanden sind.

Trotzdem sind immer noch die Momente eindrucksvoller, in denen man sich einfach spontan zusammenfindet und dem Gefühl des Fastelovends singend Ausdruck verleiht.

Die Momente, in denen man den strömenden Regen nicht bemerkt, weil man zu sehr darin versunken ist, singend "Et Meiers Kättche" anzuschwärmen, "Rollbrett" zu fahren oder darüber zu fabulieren, was wäre, "wenn das Wasser im Rhein gold'ner Wein wär".

 Die Bewegung "Loss mer singe" hat in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen, dass kölsche Musik wieder bewusster gesungen wird. Wer einmal beim "Einsingen" war und die Diskussionen der Zuhörer rund um die Neuvorstellungen der Session miterlebt hat, wird danach selbst mit anderen Ohren zuhören. Auch älteres Liedgut wird wieder in den Fokus gerückt; Texthefte als Mitsinghilfe sind mittlerweile üblich und werden dankbar angenommen.


Der Fastelovend verändert sich, so wie sich die Menschen verändern, die ihn gestalten. Aber er ist und bleibt ein Volksfest. Ein Fest, das durch die Menschen lebt.

Immer noch gibt es für die Pänz am Zugwegrand eine Extraportion Kamelle und für die "lecker Mädcher" ein extra Strüüßje oder Bützje. Immer noch bildet man für ein paar Stunden auf der Straße eine feiernde Gemeinschaft.

Ob man den Piraten oder den Clown, zwischen denen man gerade schunkelt, morgen bei Tageslicht noch wiedererkennt, wenn man ihnen im Supermarkt begegnet, ist sekundär. Was zählt, ist der Moment.

Intensiv erlebte Momente bilden den Vorrat der Erinnerungen, aus dem heraus man ein wenig melancholisch mitsingt "Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia" und gleichzeitig im Stillen darauf hofft, "dat der Ärjer vun hück – un dat jeiht flöck – die joode, ahle Zick vun morje es". 

In diesem Sinne: Kölle Alaaf!

Inga Rapp