Profis und Fremdheit (1)

Josef Zimmermann (52, Diplompsychologe) leitet die Katholische Beratungsstelle für Eltern Kinder und Jugendliche

 

Was lässt die Menschen "fremdeln"?

Zimmermann: Alles, was auch uns "fremdeln" lässt: das andere Klima, die fremde Sprache, unvertraute Gerüche und Geräusche, der häufige Wechsel des Aufenthaltsortes (Flüchtlingslager, Erstaufnahmeheim, Flüchtlingsunterkunft).

Schwierig ist auch, mit vielen anderen Fremden aus verschiedensten Nationen oder Kulturen auf sehr engem Raum zu leben. Sehr problematisch sind die Asylregelungen mit den langen Wegen zur Anerkennung oder auch Nicht- anerkennung. Das lässt die Menschen in einer Dauerfremdheit erstarren, weil sie nicht teilhaben dürfen zum Beispiel an Deutschkurs, Schule, Arbeit, Wohnung.

IMG_2134 - Foto2014 (c) SilviaBins

Katholische Beratungsstelle

Die Beratungsstelle bietet seit drei Jahren unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Beratung und Therapie an. Erwachsene und Familien mit Fluchterfahrung können in der Internationalen Familienberatungsstelle oder dem Therapiezentrum für Folteropfer des Caritasverbandes Köln Beratung und therapeutische Unterstützung erhalten.

Was sind ihre persönlichen Strategien im Umgang mit Fremdheit?

Zimmermann: Als Berater versuchen wir zum einen, die Menschen direkt zu stärken, indem wir sie in ihrer „Fremdheit“ anerkennen, bzw. kein großes Aufhebens darum machen. Wir vermitteln ihnen, dass sie als Fremde per se einen Wert haben. In der Vernetzung mit Ehrenmamtlern oder auch sozialen Diensten versuchen wir, Flüchtlingen Teilhabe auf Augenhöhe zu verschaffen, im gemeinsamen Tun (Arbeit), im gemeinsamen Leben (Wohnung).

 

Gibt es eine positive Seite?

Zimmermann: Natürlich, denn die Menschen bringen ihre Geschichte, ihre Kultur, ihre Religion, ihre Rituale, ihre starken Seiten ja auch mit. Ein Teil unserer Arbeit in der Beratungsstelle besteht darin, das wieder wachzurufen bzw. wachzuhalten. Wir unterstützen die Menschen darin, sich für ihre Herkunft und für die vielleicht erlebten Mängel nicht zu schämen. Wir stärken sie, dazu zu stehen, dass sie unsere Sprache noch nicht oder zunächst nur mangelhaft sprechen können, dass sie viele Erfahrungen nicht gemacht zu haben, die für Menschen hier selbstverständlich sind.
Da ist zum Beispiel ein junger Mensch – aus Afghanistan geflohen – der hier in Deutschland mit 17 Jahren zum ersten Mal im Kino war, der zum ersten Mal Computerspiele kennengelernt hat. Er fühlt sich minderwertig, weil er auf dem Schulhof überhaupt nicht mitreden kann.

 

Was hilft bei der Überwindung?

Zimmermann: Ganz besonders helfen Menschen, die Vertrauen geben, die einen ansprechen, die einen im normalen Leben mitnehmen, einen nicht wie einen fremden oder "armen" Menschen behandeln. Wichtig ist Sicherheit über die Zukunft: Wohnung, Arbeit, Schule, kurz: Teilhabe! Dazu gehört natürlich, dass der Aufenthaltsstatus möglichst schnell geklärt ist.
Wichtig ist auch der positive Blick auf die Erfahrungen, die viele jugendliche Flüchtlinge den Gleichaltrigen hier voraus haben:
Sie wissen, dass sie auch harte Arbeit schaffen können, haben früh gelernt, sich durchzubeißen. Sie können Schule und Bildung wertschätzen. Allerdings braucht es oft Unterstützung durch Beratung, um diesen positiven Blick zu gewinnen.

refugees_welcome_peter_weidemann_pfarrbriefservice (c) Peter Weidemann, Pfarrbriefservice