War das Verhältnis zu den Schwestern anders als das zum Bruder?
Es gab zwei große Bündnisse: die drei Ältesten und die drei Jüngsten; für meine großen Schwestern fungierte ich als eine Art Bodyguard, ich begleitete sie, wenn sie in Ferien fuhren.
Du warst in der Rolle des großen Bruders, obwohl deine beiden Schwestern älter waren?
Ja, das war einerseits problematisch ob meines jungen Alters, und andererseits war ich stolz darauf, für die Schwestern so wichtig zu sein.
Mit Gudrun war ich besonders verbunden. Mechthild ging mit 16 Jahren nach London als Au-pair-Mädchen. So waren wir dann zu fünf Geschwistern. Zu dieser Zeit – ich war 14 – zogen wir von Krefeld nach Köln. Ich besuchte das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, damals ein reines Jungengymnasium. Meiner Mutter war das wichtig, weil ich in preußischer Tradition "groß" werden sollte. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.
Ist Deine Schwester Gudrun auch mit nach Köln gezogen?
Nein, sie lebte bei Bekannten in Krefeld, damit sie dort die Schule beenden und das Abitur machen konnte. Meine älteste Schwester Mechthild durfte kein Abitur machen, weil die Eltern dies nicht finanzieren konnten. Das ist für sie noch heute schwierig, wenngleich Mechthild erfolgreich war; sie ist als Abgeordnete ins Europaparlament gewählt worden und lebt in der Nähe von Brüssel.
Was bedeutete dieser frühe Weggang der älteren Schwestern für die Geschwisterbeziehung?
Mechthild hatte sich ja schon sehr früh nach England aufgemacht, und als Gudrun zum Studium nach Bonn ging, entstand ein neues, sehr enges Verhältnis zu ihr. Es gab das schon vorher, aber es wurde durch ihren Weggang noch intensiver. Ich unterstützte sie, wo ich konnte. Sie heiratete später ihren westfälischen/bergischen Freund, mit dem ich zunächst sehr vertraut war, aber leider zerbrach unser Verhältnis an diversen Streitfragen. Das stand natürlich auch zwischen mir und meiner Schwester. Mittlerweile ist sie verwitwet. Und wir beide haben wieder unser altes gutes Miteinander. Sie hat den Anschluss an ihre Geschwister gesucht.
Gibt es einen Unterschied im Verhältnis zu den Geschwistern nach "oben" und nach "unten"?
Ja, ganz klar, meine Beziehung zu meinen beiden älteren Schwestern, und hier besonders zu Gudrun war immer besonders intensiv. Mit zunehmendem Alter ist auch der Kontakt zur jüngeren Schwester Claudia stärker geworden. Wir sind wieder mehr zusammengewachsen. Sie lebt in Berlin und Köln; aber mittlerweile mit Schwerpunkt hier in Köln.
Haben Eure Eltern Unterschiede gemacht in der Behandlung der Kinder? Hattest Du als ältester Junge Vorteile?
Den Mädchen gegenüber auf jeden Fall. Obwohl ich immer ein schlechter Schüler war, musste ich das Gymnasium besuchen und beenden, aber sonst wurde mir nichts vorgegeben. Der Weg ins Studium war eine völlig freie Entscheidung von mir.
Haben Deine Eltern Euch eher liberal erzogen?
Letztendlich ja, zumindest was den Bereich der Bildung angeht. Ansonsten war mein Vater sehr streng in seinen Vorgaben uns Kindern gegenüber. Er nahm auch schon mal die Reitpeitsche zur Hand (die er als ehemaliger Offizier noch besaß – und irgendwann später verschwinden ließ); was dann aber fast ausschließlich meine Person betraf. Meine Schwestern nahmen dann Anteil. Mein jüngerer Bruder war von solchen Maßnahmen nicht betroffen.
Haben die vielen gemeinsamen Erinnerungen Euer geschwisterliches Band gestärkt?
Ja, das ist so. Sicher haben wir im Erwachsenenalter erst einmal alle unseren Weg gesucht. Diese individuellen Wege haben unsere Beziehungen näher oder ferner werden lassen. Mit zunehmendem Alter haben wir unsere Beziehungen neu definiert und uns neu gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar. Meine geschwisterliche Familie erlebe ich als Bereicherung mit allen Höhen und Tiefen, die uns durch die letzten Jahrzehnte begleitet haben.