Die ersten drei Jahre dienten der Ordensausbildung.
Mit fünf weiteren jungen Schwestern lebte Marianne Ricking abgeschirmt von der übrigen Klostergemeinschaft, zu der damals 60 Frauen gehörten.
Das Hineinwachsen ins geistliche Leben – Kennenlernen der Ordensregel, regelmäßige Teilnahme am gemeinschaftlichen Gebet und das Leben in der Ordensgemeinschaft – war Ziel dieser Ausbildungsjahre.
Damit verbunden war die Einschränkung vieler persönlicher Freiheiten, wie es damals in den meisten Orden üblich war. Der Tag war so eng strukturiert, dass keinerlei persönliche Gestaltung möglich war; der Hauptakzent lag immer auf gemeinsamem Tun.
"Alle beruflichen Pläne, alle Lebenswünsche und Träume sollten wir zurückstellen, die Verbindung zu Gott sollte so gestärkt werden. Das fiel uns schwer, wir waren alle sehr jung", erinnert sie sich.
1980 kam sie nach Köln. Sie war die einzige junge Schwester im Kölner Konvent. Für die damals 28jährige Ordensfrau war es schwierig, das Ordensleben mit den weitaus älteren Mitschwestern (65 – 85 Jahre) zu teilen.
Tagsüber arbeitete sie im Kindergarten, am Abend kümmerte sie sich mit um die Bewohnerinnen des Altenheims und ging den älteren Schwestern zur Hand.
Kindergarten und Altenheim wurden von den Ordensschwestern geführt.
Nicht selten saß sie nachts bei den Sterbenden und war auch an den Wochenenden in viele Pflichten eingespannt. Zum ersten Mal kam sie an ihre Grenzen. Sie war erschöpft, fühlte sich ausgelaugt. "Ich glaube, was dann folgte, würde man heute als Burnout bezeichnen", kommentiert Marianne Ricking ihre damalige Situation. "Das Paradoxe war, ich lebte im Kloster, konnte aber mein geistliches Leben nicht mehr finden; das hatte ich mir so nicht vorgestellt!" Sie war der täglichen Auseinandersetzung mit dem Leben in zwei Welten – Orden und Kindergarten – müde geworden. "Für mich begann ab diesem Zeitpunkt ein langer Prozess des Nachdenkens: Bleiben oder Gehen, in der auch die Erwartungen meiner Familie eine wichtige Rolle spielten!"
Sie hat sich diese Entscheidung nicht leichtgemacht; in kleineren Schritten ist sie ihren Weg gegangen und hat zunächst um eine Beurlaubung im kirchenrechtlichen Sinn gebeten. Eine Zeit, die ermöglichte Lebenserfahrungen außerhalb des Klosters zu machen. Dazu gehörte, eine Wohnung zu suchen, sich um Einrichtung und Kleidung zu kümmern und nicht zuletzt den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.
Eine existentielle Herausforderung für einen Menschen, der 17jährig aus der Familie ins Kloster gegangen ist.
"Das war definitiv die mutigste Entscheidung in meinem bisherigen Leben", meint sie und präzisiert: "Ich hatte kein Geld, keine Wohnung, und ich wusste damals nicht, ob ich meinen Arbeitsplatz würde behalten können. Und eigentlich liebte ich das geistliche Leben. Ich konnte es aber im Kloster nicht mehr weiterleben."
So wurde während der Sommerferien 1993 aus Schwester Eva-Maria wieder Marianne Ricking. "Natürlich hatte ich auch Angst, ich kannte dieses Leben ja nicht, und ich habe ganz neu anfangen müssen. Ich erinnere mich besonders an das großartige Gefühl der Freiheit, das ich sofort empfand, besonders an die ersten Tage in meiner möblierten Wohnung. Nichts gehörte mir, aber es war meine von mir gesuchte, möblierte Wohnung! Das war ab jetzt mein Leben!"
Wie sieht sie heute ihren bisherigen Lebensweg? "Meine Ordenszeit gehört wesentlich zu meinem Leben; ich sehe es als ein großes Ganzes. Ich liebe heute meine Arbeit in der Gemeinde, meine geistlichen und caritativen Aufgaben und mein ganzes Leben hier."
Und: Im August fährt Marianne Ricking zum 50. Ordensjubiläum der Mitschwester, mit der sie damals gemeinsam ins Kloster gegangen ist.
Mit Marianne Ricking sprach
Stefanie Manderscheid
(Der Orden, dem Marianne Ricking angehörte, ist die Kongregation der Schwestern der christlichen Liebe, gegründet 1849 durch Pauline v. Mallinckrodt; das Mutterhaus befindet sich in Paderborn)