Türklinke auf Augenhöhe

Die Kindertagesstätte St. Josefshaus ist der älteste Kindergarten in Köln. Die Räume der Einrichtung werden zur Zeit saniert und umgebaut. Die Pfarrbriefredaktion sprach mit Marianne Ricking. Sie leitet die traditionsreiche Einrichtung.

Sind die Räume der Kindertagesstätte tatsächlich schon 133 Jahre alt?

Nein, das jetzige Gebäude ist 45 Jahre alt, zuvor war der Kindergarten dort, wo jetzt das Hotel in der Dreikönigenstraße steht. In diesem ursprünglichen Gebäude wurde 1881 die Stiftung St. Josefshaus gegründet, die heute noch Träger der Einrichtung ist. Von jeher war es ein Anliegen der Stiftung, alte und junge Menschen unter einem Dach zu betreuen. Früher wie heute leben deshalb Alt und Jung unter einem Dach – das Altenheim befindet sich direkt über unseren Räumen.

Sanierung nach 45 Jahren, das leuchtet ein – warum wird auch umgebaut?

Der Umbau ist notwendig, weil wir schon seit 2007 in drei Gruppen Kinder ab dem zweiten Lebensjahr betreuen; die brauchen andere Bedingungen als die größeren Kinder. Zukünftig können wir Kinder schon ab dem vierten Lebensmonat aufnehmen. Das erfordert weitere Veränderungen. Es gibt hinsichtlich der Räume klare gesetzliche Vorgaben.

Was wird da vorgeschrieben?

Es gibt ein verbindliches Raumprogramm, das für alle Kindertagesstätten gilt, wenn sie umgebaut werden und sich damit auf die neuen Bedingungen zur Betreuung der jüngeren Kinder einstellen. Den Kindern werden in jeder Gruppe ein Gruppenraum, ein Neben­raum und ein Ruheraum zur Verfügung stehen.

Das klingt sehr großzügig, warum ist das nötig?

Kinder brauchen im wahren Wortsinn "Spielraum" ­– sie brauchen unterschiedlich gestaltete Räume, in denen sie eine Vielfalt von Erfahrungen machen können. So können sie spüren und erleben, wie es ist, im großen Raum mit der ganzen Gruppe zusammen zu sein und wie anders es ist, allein oder mit einem oder zwei Kindern im kleinen Nebenraum zu spielen. Der eigene Ruheraum für jede Gruppe schafft ein Gemein­schaftsgefühl ganz anderer Art, als ein großer Ruheraum für alle.

Türklinke auf Augenhöhe?! (c) Ricking

Türklinke auf Augenhöhe?!

SilviaBins-Kinderbild (c) SilviaBins

Wie wichtig sind für ein Kind die Räume, wenn es neu in die Ein­richtung kommt?

Wenn Kinder sich einleben, dann lernen sie zuerst die Bezugsperson kennen und erobern dann mit ihr den Raum. Zunächst ist wichtig, dass die Mama dabei ist, später die Erzieherin, zu der das Kind den Bezug hat. Das gibt Sicherheit, aus der heraus das zunächst unbekannte und unvertraute Terrain mit seinen Spielmöglichkeiten erkundet werden kann. Gleichzeitig entstehen die ersten Beziehungen zu anderen Kindern. Gut gestaltete und kindgerecht eingerichtete Räume vermitteln ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, aus der heraus ein Kind selbstbewusst und neugierig die Welt entdecken kann.

Was heißt das: "kindgerecht eingerichtet"?

Hier ist alles ganz und gar auf Kinder eingestellt, die Möbel sind ihren Größen­verhältnissen angepasst. An kleinen Tischen und auf kleinen Stühlen können Kinder sehr viel selbst machen, brauchen keine oder wenig Hilfe von Erwachsenen, sie kommen selbst an das Spielmaterial dran, in der niedrigen Spüle z.B. können sie selbstverständlich hantieren. Und nicht zuletzt: Die Türklinken werden auf Kinder-Augenhöhe sein, wir Erwachsene bücken uns.
Damit Kinder sich wohlfühlen, braucht es klare Strukturen. Weniger ist mehr. Ein Überangebot an Spielmaterialien oder an Mobiliar verunsichert und verwirrt. Es verhindert Lust zum Entdecken und Spielen. Es braucht Grenzen und Abgrenzungen im Raum: Da gibt es den Bauteppich, auf dem gebaut wird und nicht daneben. Da gibt es die Puppenecke, die dem Spiel mit Puppen vorbehalten ist. Da gibt es Spielmaterial oder -geräte für drinnen und solche für draußen....

Sie arbeiten schon fast 40 Jahre in diesem Beruf, brauchen Kinder heute anders gestaltete Räume als früher?

Der Rahmen ist ein anderer geworden. Die Vielfalt ist größer, die Spielräume sind weiter. Kinder spielen draußen, in den Fluren, können sich verabreden in anderen Gruppen. Sie finden sich in neuen Räumen und mit neuen Menschen schneller zurecht (haben z.B. Tagesmutter-Erfahrung). Die Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbständigkeit wird stärker gefördert. Nicht zuletzt bietet die Einrichtung etwas, das heute viele Kinder zu Hause nicht erfahren: ein soziales Übungsfeld mit vielen Kindern und großzügige kindgerecht gestaltete Räume mit ihren besonderen Erfahrungsmöglichkeiten.

Info

Die Kita St. Josefshaus und Katholisches Familienzentrum St. Severin:

5 Gruppen mit 102 Kindern von 2 bis 6 Jahren, alle werden über Mittag betreut;
16 pädagogische Mitarbeiterinnen und 4 hauswirtschaftliche Kräfte.

Das Familienzentrum mit seinen vielfältigen Kooperationen ermöglicht eine Fülle von Angeboten, auch für Familien, die kein Kind in der Einrichtung haben.

 

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