In der Südstadt gibt es viele obdachlose Menschen. Sie haben den Vringstreff erwähnt, eine Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Wohnung.
In der Annostraße habe ich das erste Mal etwas mitbekommen von Obdachlosigkeit. Das war mir völlig fremd. Ich habe begriffen, dass auch Alkoholiker hochsensible Menschen sind. Die hatten oft hammerharte Erlebnisse, die dazu geführt haben, dass sie so sind, wie sie sind. Ich bin ein Anwalt dafür geworden, dass sie ein würdevolles Leben haben.
Ich kenne nicht nur den Vringstreff, ich kenne auch vom Johanneshaus in der Annostraße Pater Ambach und Thomas Sökefeld. Was ich kann, das ist Menschen vom Tippelbruder bis zum Bankier zusammenbringen. Deshalb mache ich einmal im Jahr einen Sommerempfang im Pfandhaus.
Das ganze Jahr über sammele ich Visitenkarten, und diese Menschen lade ich dann ein.
Sie sind nicht katholisch, haben Sie gesagt ...
In meiner Kinderzeit in der Eifel haben wir Geschwister uns mit den Katholiken gefetzt und die mit uns. Heute verteidige ich manchmal mehr die Kirchen – egal ob evangelisch oder katholisch – als ihre Mitglieder selbst, weil sie ganz wichtige Institutionen sind. Ich selbst bin Agnostiker, ich habe das für mich so entwickelt, habe das mit mir ausgemacht.
Gebürtiger Kölner sind Sie also nicht?
Nein, meine Eltern waren Vertriebene aus Pommern. Sie landeten 1947 in Kalterherberg bei Monschau, dem "Altötting" Nordrhein-Westfalens zwischen Eifel und Hohem Venn. Wir waren arm und fremd.
Mein Vater wählte SPD und war daher auch immer für die Ostverträge. Er war nicht in der Partei. Meine Mutter und er waren streng gläubige, evangelische Christen, und das war da oben natürlich das Schlimmste. 1973 kam ich aus der Eifel nach Köln. Nach zwei Jahren beim Militär habe ich den Wehrdienst verweigert, die Mittlere Reife nachgemacht, und um auch das Abitur nachzumachen, bin ich in Köln gelandet. Es war eine bewegte Zeit. Jura habe ich dann studiert, aber bewusst nicht finalisiert. Obwohl ich alle Scheine hatte, habe ich gedacht, was machst du jetzt mit 32 Jahren mit deiner Ahnung von Jura, und ich wollte dann Sozialarbeit studieren. Das gefiel mir dann aber auch nicht und durch einen Zufall bin ich bei den Bühnen gelandet. Heute bin ich Bühnenfacharbeiter und Arbeitnehmervertreter.
Wie sind Sie in die Politik gekommen?
Meine Eltern haben mir beigebracht: Faschismus und Krieg dürfen nie mehr passieren.
Ich war immer geschichtlich und politisch interessiert, und hier in Köln war 1973 noch die Nach-68er-Zeit – Demokratie von unten. Angefangen habe ich bei der Bürgerinitiative Rathenau Platz, wo ich wohne und inzwischen mit fast 62 Jahren dienstältestes Mitglied bin. Später hat mich die Häuserrettung und Hausbesetzung auf dem ehemaligen Stollwerck-Gelände in der Südstadt noch einmal ganz besonders politisiert. Bei den Grünen gelandet bin ich nicht, weil ich ein Naturmensch aus der Eifel bin, sondern weil die eine offene Fraktionssitzung haben. 1979 haben wir eine Liste gemacht. Es war ein Wahlbündnis von der Bunten Liste wehrt Euch und den Grünen. Mit zwei Sitzen sind wir damals in die Bezirksvertretung Innenstadt gekommen. In die Bürgergemeinschaft Rathenauplatz habe ich viel Kraft und Arbeit gesteckt. Ohne dass ich mich selbst loben will, aber das Projekt des Cafés am Rathenauplatz gäbe es nicht, wenn ich nicht wäre.
"Reich beschenkt“ ist das Pfarrbrief-Thema – gilt das auch für Ihr persönliches und politisches Leben?
Ich habe eigentlich immer das gemacht, was mir Spaß gemacht hat, was mich interessiert hat, auch wenn es schwer war. Nichts in meinem Leben war umsonst. Ob es die Juristerei ist, ob ich in der Gewerkschaft bin, beim Militär war, gearbeitet habe, dass ich viele Geschwister hatte... Was mich immer angetrieben hat, ist, was ich von Zuhause mitbekommen habe. Ich bin ein flexibler, manchmal hektischer und sehr bewegter Typ. Aber ich brauche eine feste Wurzel. Feste Wurzel sind die Wohnung und die Menschen, mit denen ich im Viertel lebe.
Gott hat den Menschen die Sonne und die Erde gegeben, aber dann ist alles in Menschenkopf und in Menschenhand. Das hat mich immer bewegt und angetrieben, für humane, lebenswerte Bedingungen zu stehen.