Wie geht es Menschen, die mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert sind, wie gehen sie mit der damit entstehenden intensiven Verunsicherung um, welche Hilfe kann die Schwangerschaftskonfliktberatung leisten. Und was ist das Besondere an der Beratungsstelle "donum vitae"(siehe Informationskasten). Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion sprach mit Beraterin Ellen Timmermanns.
Freundlich begrüßt mich die Sekretärin, ich betrete helle, geschmackvoll eingerichtete Räume, durch das offene Fenster im Beratungsraum strömt der Duft blühender Linden. Erste Eindrücke bei meinem Besuch in der Beratungsstelle am Heumarkt.
Darauf angesprochen, sagt Ellen Timmermanns: "Eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Frauen willkommen fühlen, in der Vertrauen entstehen kann, das ist mir besonders wichtig: eine unerlässliche Voraussetzung für ein gutes Gespräch." Die Beraterin mit einer spezifischen Ausbildung in psycho-sozialer Beratung ist seit drei Jahren in der Beratungsstelle tätig. Es liege auf der Hand, dass eine ungewollte Schwangerschaft eine extreme Verunsicherung erzeuge. Stabilisierung ist ein Wort, das im Lauf unseres Gespräches immer wieder vorkommt. Stabilisierung, um wieder sicheren Boden unter den Füßen zu gewinnen, ist ein erstes Ziel der Beratung, damit die Frau eine verantwortliche Entscheidung treffen kann.
Mündigkeit und Eigenverantwortung der Frau seien durch die Beratungspflicht nicht eingeschränkt, betont Timmermanns. Vielmehr eröffne die Beratung den Frauen die Chance, in dem sehr begrenzten Zeitrahmen, der ihnen gegeben ist – die Perspektiven des Lebens mit einem (nicht selten weiteren) Kind abzuwägen, auch des Lebens nach einem eventuellen Abbruch der Schwangerschaft. "Genau das ist gemeint, wenn von ergebnisoffener Beratung gesprochen wird", erklärt sie. Oft begegne sie dem Vorurteil, dass die Beratung in einer christlich geprägten Einrichtung doch nicht ergebnisoffen sein könne. Dem entgegenzutreten ist ihr wichtig. Es brauche Zeit und Raum, die Ängste, Sorgen und oft sehr komplexen Problemlagen der Frau gemeinsam anzuschauen und ernstzunehmen. Zugleich gilt es, den Blick zu eröffnen für konkrete finanzielle und personelle Hilfen, die eine Entscheidung für das Kind ermöglichen könnten. Die Offenheit für beide Perspektiven und der Respekt vor der Mündigkeit der Frau sind Haltungen, die - nach der Erfahrung der Beraterin – erst eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglichen.
Immer gibt es die Einladung zu einem zeitnahen zweiten oder auch weiteren Gespräch, damit Gelegenheit ist, nachzudenken. "Beratung ist wirklich ein Prozess", erklärt Timmermanns. Nicht selten kommt der Partner oder auch eine Freundin mit zum Gespräch. Dann wird die begleitende Person zunächst gebeten zu warten, damit die ratsuchende Schwangere unabhängig und unbeeinflusst Gefühle und Gedanken, Ängste und Verunsicherungen aussprechen kann.
Inhalte der Beratung werden nicht dokumentiert, auch anonyme Beratung ist möglich.
Die Situationen der ratsuchenden Frauen sind sehr vielfältig. Der Beraterin ist es wichtig, Missverständnissen und falschen Annahmen entgegenzutreten. Die Mehrzahl der Frauen ist nicht jung – eher etwa 30 Jahre alt, bei den meisten ist es nicht die erste Schwangerschaft. Trotz Verhütung, die nie hundertprozentig sicher ist, kommt es zu Schwangerschaften. Die ungeplante Schwangerschaft bringt ein hohes Maß an Verunsicherung, oft geht es um tiefgreifende familiäre Konflikte, um finanzielle und/oder psychische Überforderung, um gravierende Veränderungen der beruflichen oder sonstigen Lebensplanung.
Alle Frauen im Schwangerschaftskonflikt sind gesetzlich zu einer Beratung verpflichtet. Dass sie stattgefunden hat, wird auf Wunsch bescheinigt.
Sachliche, gynäkologische Informationen zum Abbruch einer Schwangerschaft gehören ebenso zur Beratung wie Informationen über die breite Palette der Hilfen für das Leben mit einem (nicht selten weiteren) Kind. Diese Hilfen werden auch sehr konkret/praktisch umgesetzt. Nicht zuletzt gibt es auch das Angebot der Beratung nach einem Abbruch. Entscheidet sich die Frau für das Austragen des Kindes, wird ihr Begleitung und Unterstützung bis zum 3. Lebensjahr des Kindes angeboten.
Ellen Timmermanns erzählt noch, dass sie ihre persönliche Sicherheit in dieser anspruchsvollen Beratungsaufgabe erst hat finden müssen: "Auch das war ein Prozess in der steten Konfrontation mit dem Spannungsfeld, und es ist eine fortdauernde Aufgabe." Deshalb sind regelmäßige Supervision sowie stete Rückbindung im fachlichen und persönlichen Austausch im Team selbstverständlich.