Montag, 9.30 Uhr, mein Friseurtermin im Salon "Sturmfrisur". Als erster begrüßt mich ein kleiner Hund schwanzwedelnd, dann Friseurmeisterin Lilly im wohnzimmergroßen bzw. -kleinen Raum. Wir kennen uns schon lange, sie legt unsere Pfarrbriefe aus, und seit drei Jahren stellt sie im Advent eine Spendenbox für alle Trinkgelder auf, die dann in die Gemeindecaritas fließen. Unser Gespräch, während sie meinen Haaren einen neuen Schnitt verpasst:
Lilly: Müsste nicht eigentlich bald ein neuer Pfarrbrief kommen? Was ist euer neues Thema?
Ingrid Rasch: Sicherheit ist das Thema, aber Sicherheit mit Fragezeichen; wir sprechen mit Menschen, die ihre Sicherheit im Leben verloren haben und fragen, wie es ihnen gelingt, sie wiederzufinden. Aber es gibt ja auch Menschen, die sehr bewusst Sicherheiten aufgegeben haben … War das nicht eigentlich bei dir so?
Ja, genau – es ist tatsächlich schon 20 Jahre her (lacht), dass ich mein Angestellten-Dasein aufgegeben und mich selbstständig gemacht habe. Dass ich mich da in große Unsicherheit begeben habe, war mir nicht klar, das habe ich zu dem Zeitpunkt gar nicht gemerkt. Heute ist das irgendwie selbstverständlich, aber damals war es eigentlich ein großer Schritt ins Ungewisse.
Und wie hast du es geschafft, diesen Schritt zu tun?
Mut und Tapferkeit braucht es dazu, das ist alles.
Das ist aber eine Menge, finde ich …
Wenn ich so eine große Entscheidung vor mir habe, dann warte ich erst mal ab und gebe mein Problem "nach oben" ab. Bis jetzt habe ich dann immer irgendeine Art Hinweis bekommen, was ich tun soll, was jetzt richtig ist für mich. Jetzt nicht so als Anweisung, sondern dass ich mich vergewissern konnte: Ja, hier geht’s lang. Und dann kam auch die Tapferkeit, loszugehen. Und Mut kam auch, Mut, dranzubleiben. So ähnlich war es auch mit der anderen großen Entscheidung in meinem Leben, da habe ich die Sicherheit meiner Ehe verlassen, das war mit allerhand Risiken verbunden. Aber es war genau richtig und gut für mich. Auch dazu habe ich tatsächlich Mut gebraucht. Und wo ich das so erzähle, denke ich gerade, dass es immer gut ausgegangen ist, wenn ich mutig war. Mit übermütig nicht immer (lacht).
Etwas ganz anderes: Du hast erzählt, dass du angefangen hast, Trompete zu spielen und immer ganz viel Herzklopfen vor den Auftritten im Posaunenchor hast. Passt das auch in unser Thema "Un-Sicherheit"?
Oh ja, das ist total aufregend, und zwischendurch wollte ich es aufgeben, weil ich vor lauter Versagensangst schon nicht mehr schlafen konnte. Aber jedes Mal, wenn wir die ersten Takte eines Konzertes spielen, ergreift mich eine unglaubliche Kraft und felsenfeste Liebe. Ein Befehl von höchster Stelle mitten ins Herz: Ja, ich soll Trompete spielen!