Gut, dass du da bist

Braucht es Toleranz bei der Begleitung betagter Eltern? Stefan G (Name geändert) macht sich Gedanken dazu.

Als Kind ist es ein Segen, wenn Eltern Geduld und Toleranz bei der Erziehung aufbringen. Werden die Kinder erwachsen, die Eltern alt, kehrt sich das oftmals um. Wie viel Toleranz braucht es bei der Begleitung betagter Eltern? 

Als Sohn erlebe ich einen Weg des Lernens. Warum kümmern die Eltern sich nicht um sich selbst, um ihren Lebensabend, lassen alles so laufen? Als würde die Zeit für sie stillstehen und das Gebrechlich werden nicht für sie gelten. Die eigene Vorsorge, eine Selbstverantwortung für das Alter – Fehlanzeige. Ich sehe die Dinge, die sich verändern: Abnehmende Belastbarkeit, Schwierigkeiten mit technischen Dingen, körperliche Einschränkungen, tägliche Anrufe ... Hilfe annehmen wollen sie nicht. Gleichzeitig fallen Sätze wie: "Gut, dass Du da bist. Auf Dich können wir uns verlassen. Du regelst das schon!"

Mir fällt es schwer tolerant zu sein. Gerne hätte ich Eltern die für sich vorsorgen. Doch hätte, wenn und aber bringen keine Entlastung. Irgendwann kam die Erkenntnis, dass es ihre eigene Entscheidung ist, wie sie ihren Lebensabend verbringen möchten. Nicht ich bin der Gestalter ihres Weges. Toleranz also gegenüber den Eltern lernen? Eltern gehen genauso ihren eigenen Weg wie heranwachsende Kinder. Und ist es nicht das Recht der Eltern, ihr eigenes Glück zu finden, wie Kinder, die ihren Weg dort suchen, wo Eltern es vielleicht gar nicht vermuten. Loslassen bedeutet, ihnen ihr eigenes Los zu lassen. 

So einfach ist es nicht, da braucht es Zutrauen und Vertrauen. Und es braucht gleichzeitig auch Abgrenzung für mich, also nicht über meine eigenen Grenzen gehen, meine Grenzen achten und Grenzen des Machbaren ziehen. Denn nur dann kann ich überhaupt Fürsorge leisten. Das ist für mich die größte Herausforderung. Hilfe und Unterstützung suchen gehört auch dazu, natürlich. Und unterstützend ist der Gedanke, dass das Leben hier auf Erden endlich ist, dass der Augenblick zählt, weil er schnell vergeht, also im Angesicht des Todes auch bewusst das Seinlassen zu üben. Die Tage mit den Eltern sind gezählt! Also wie finde ich zur Toleranz? Vielleicht hilft die Gnade. Der Gedanke, mich unter dem Schutz der Gnade Gottes zu wissen, gibt mir ein bisschen Kraft, den Eltern gegenüber und ebenso auch gegenüber mir selber, meinen Begrenzungen gnädig zu sein. 

┬®SilviaBins_6075 (c) SilviaBins