Seit Januar 2024 ist Nicola Thomas-Landgrebe gewählt als Pfarrerin in der evangelischen Gemeinde Köln. Spontan hat sie zugesagt, mit Ingrid Rasch von der Pfarrbriefredaktion zu sprechen – zu ihrer Person und zugleich zum Thema Toleranz.
Ingrid Rasch: Was sollten die Menschen und St. Severin und in unserem Veedel von Ihnen wissen?
Nicola Thomas-Landgrebe: Nicht so einfach zu beantworten – ich überlege mal, was sie vielleicht interessiere könnte. Ich bin gewählt als Pfarrerin seit Januar 2024 für die evangelische Gemeinde in Köln, und ich bin momentan zuständig für die Lutherkirche und für die Thomaskirche – jeweils mit einer halben Stelle. Pfarrerin – das ist nicht mein erster Beruf. Ich bin auch Schauspielerin und habe viele Jahre als Schauspielerin vor allem am Theater gearbeitet. Als ich meinen Mann kennenlernte, der Pfarrer ist, hat sich im Lauf der Zeit bei mir ein Interesse für diesen Beruf entwickelt.
Gereizt hat mich auch das Studium der alten Sprachen – das Alt-Griechische und Hebräische. Ich habe das Studium – ich war 42 – dann einfach begonnen und nach vorne gedacht. Und es folgten viele tolle Jahre, sowohl an der Universität in Bonn wie in meinen Anfängerjahren als Pfarrerin in Köln.
Es gibt ein kurzes Fernsehportrait von Ihnen, das ihren beruflichen Weg zeigt …
Ja (sie schmunzelt), der Beitrag hieß „Von der Bühne zur Kanzel“ und hat ein paar Sequenzen aus meinem Lebensweg eingefangen. Natürlich sehr verkürzt und pointiert.
Was macht Ihnen besondere Freude in ihrem jetzigen Beruf?
Ich bin einfach sehr gern Pfarrerin, und Gottesdienst zu feiern ist eine wunderbare Aufgabe. Und ich mache zum Beispiel auch sehr positive Erfahrungen bei sogenannten Glaubensspaziergängen mit jungen Erwachsenen. Die kommen oft mit der Geburt eines Kindes neu in die Gemeinde, und sie setzen sich mit Fragen des Glaubens nach längerem Abstand wieder neu, andere auch erstmalig auseinander. Es ist eine sehr reizvolle Aufgabe, mit diesem natürlichen Interesse an elementaren Glaubensfragen umzugehen. Ich bekomme durch diese Gespräche selber viel Inspiration. Da gibt es beglückende Momente.
Und welche Herausforderungen erleben Sie?
Die evangelische Gemeinde ist aktuell in einem Prozess des Zusammenwachsens. Wir sind darauf angewiesen, dass Menschen sich daran gewöhnen, zukünftig in immer größerer Flexibilität unterschiedliche Kirchen und unterschiedliche Gottesdienste aufzusuchen. Für diese Veränderungen braucht es einen Vertrauensvorschuss. Ich bin mir bewusst, dass damit für viele Menschen auch Abschied von Gewohntem und Liebgewonnenem verbunden ist . Vielleicht können wir uns an den frühen Christengemeinden orientieren, die auch nicht in so festgefügten Bahnen ihren Glauben gelebt haben. Es wird zukünftig weniger Pfarrer-innen und Pfarrer geben, dafür mehr ehrenamtlich Engagierte, die die kirchliche Zukunft gestalten. Kirche sind doch wir alle!
Unser aktueller Pfarrbrief setzt sich mit dem Thema Toleranz auseinander, deshalb hier auch die Frage: Wo begegnet Ihnen das Thema, wo ist Toleranz gefragt?
Toleranz – damit komme ich vor allem in meiner Diakonie-Sprechstunde in Berührung, da lerne ich Menschen kennen, die in ganz anderen Welten leben, und da muss und will mich darauf einlassen, wie sie die Welt sehen. Es fällt mit schwer hinzunehmen, dass die Hilfen, die ich hier geben kann, oft nur ein Tropfen auf den sprichwörtlichen heißen Stein sind. Empathisch zu sein ist für mich eine wichtige Voraussetzung in diesen Begegnungen. Ich lerne dabei viel, lerne vor allem, mit der Begrenztheit des eigenen Einflusses und der eigenen Veränderungskraft umzugehen.
Und Toleranz im engeren kirchlichen Umfeld?
Die ist natürlich auch ein Thema in unserer Kirche, in Fragen des Glaubens, in Fragen der Einstellung zu gesellschaftlichen oder auch politischen Themen. Wenn ich Toleranz ableite vom lateinischen Wort "ertragen", dann ist mir das zu wenig. Ich finde es wichtig, sich auch auf Gespräche einzulassen, in denen es um divergierende Einstellungen geht. Ich muss nicht übereinstimmen mit anderen Positionen, aber ich sollte vielleicht einmal einen Schritt zurückgehen, meine Sicht der Dinge kann nicht für alle gelten. Ich denke dabei auch an meine Erfahrung als Schauspielerin, an das Theater. Da geht es ja darum, sich zu gestatten, eine andere Perspektive einzunehmen und damit eine Entdeckungsreise zu machen. Aushalten- und Zuhörenkönnen gerade bei unterschiedlichen Positionen, Toleranz in diesem Sinn, das ist ein hohes Gut.
Die evangelische Kirche ist ja breit aufgestellt und bietet Raum für unterschiedliche Sichtweisen. Kirche muss zudem fähig sein, Kritik auszuhalten. Von innen und von außen. Ich kann verstehen, dass es oft den Wunsch gibt, man möge mit einer Stimme sprechen. Das ist nicht immer möglich, aber dennoch manches Mal nötig. Die evangelisch/katholisch gemeinsame klare Abgrenzung von den Positionen der AFD ist ein gutes Beispiel, auch im Sinn lebendiger Ökumene. Apropos Ökumene: Dass wir z.B: so ein Gespräch wie dieses führen ist doch mehr als "Toleranz üben". Es ist für mich einfach eine Freude. Punkt.