Als wir Anfang der 90er Jahre eine Familie gegründet haben, waren wir voller Träume und Hoffnungen für die gemeinsame Zukunft, aber natürlich haben wir uns auch viele Gedanken gemacht, wie das wohl werden wird! Das reichte von Fragen und Diskussionen über Wohnort und Einrichtung bis zu sehr persönlichen Dingen. Vieles musste ausgehandelt werden, einige Träume wurden wahr, andere bisher nicht. Worüber wir aber von Anfang an einig waren, das war die Frage, was es bei uns jedes Jahr zu Weihnachten zu essen geben würde.
Und das kam so: Sowohl in der Familie meines Mannes als auch in meiner Kindheit hatte es zu Heiligabend immer Fleischfondue gegeben. Also mussten wir darüber nicht diskutieren, auch nicht über den traditionellen Sauerbraten am ersten Feiertag.
Auch für unsere Töchter war lange Zeit klar: an Heiligabend gibt’s Fondue. Die Saucen wechselten, aber der gemeinsame Topf in der Mitte des Tischs blieb. Auch dann noch, als eine unserer Töchter sich entschlossen hatte, Vegetarierin zu sein. Zu Heiligabend machte sie einfach eine Ausnahme.
Inzwischen ist unsere Familie gewachsen. Drei Lebensgefährten, davon zwei Vegetarier und der dritte Fleischliebhaber, sind dazugekommen. Und drei quirlige, wunderbare Enkelinnen.
Was bedeutet das für unser Weihnachtsessen, auch für unsere übrigen Weihnachtstraditionen? Beim Fondue könnten wir einfach zur Käseversion wechseln, aber in so großer Runde und mit den Kindern erscheint das zu kompliziert.
Im letzten Jahr gab es am ersten Weihnachtstag ein komplettes Menu in zwei Versionen, für die einen mit Fleisch, für die anderen fleischlos. Also Rinderbrühe und Gemüsebrühe (vegan), Sauerbraten und Champignons bourguignons (vegetarisch) jeweils mit Klößen. Das war ganz schön viel Arbeit, hat sich aber gelohnt, wir hatten eine sehr schöne Zeit miteinander.
Die Enkelinnen waren letztes Jahr noch sehr klein und gingen deshalb auch früher ins Bett, wahrscheinlich wird das dieses Jahr anders sein, wir werden auch nach vielen Jahren wieder den Kindergottesdienst besuchen.
Ob sich unsere Tradition, alle Geschenke abwechselnd nacheinander auszupacken und jedes einzelne ausgiebig zu bewundern, durchhalten lässt? Ich hoffe es sehr, das ist für mich eine wichtige Tradition wegen Anti-Konsum und so weiter… Unsere zweite Enkelin fängt gerade an zu sprechen. Immer, wenn ihr etwas besonders gut gefällt, ruft sie: "Mehr, mehr!" Gut möglich, dass die Bescherung durch ihren Ausruf etwas beschleunigt wird. Im Gegensatz dazu wird das Singen der Weihnachtslieder wohl üppiger ausfallen als in den letzten Jahren.
Was das Essen angeht, ist noch nichts entschieden. Einige in der Familie plädieren bisher für "Vegetarisch für alle." Dafür gibt es viele gute Gründe (na ja). Es ist organisatorisch einfacher, ökologisch sowieso sinnvoller und kann natürlich sehr schmackhaft werden, das meinen jedenfalls die Vegetarier unter uns.
Es gibt aber auch gute Gründe für eine fleischlose und eine Variante mit Fleisch: So würde die kleine Tradition fortgeführt, zumindest ein bisschen … Außerdem ist diesmal auch mein Vater dabei, der ein Experte für die Herstellung der Klöße für den Sauerbraten ist – rheinischer Sauerbraten, was für eine geniale Erfindung.
Natürlich entscheidet die richtige Auswahl des Menüs nicht allein über das Gelingen von Weihnachten. Aber wir wollen das Leben in Fülle feiern, ausruhen können wir uns später!
Stefanie Manderscheid