"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen." Mit diesem Goethe-Zitat empfangen Roland und Rainer Claudia Pabich von der Pfarrbriefredaktion in ihrer schönen Altbauwohnung in der Südstadt. Und sie verraten sogleich, wie Goethe fortfährt: "Dulden heißt beleidigen."
Sie wollen sich nicht ständig für etwas rechtfertigen, was sie nicht ändern können. Sie teilen mit dem Grünen-Politiker Volker Beck die Auffassung: "Alles andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung." Diesen Satz trug dieser zur Debatte im Bundestag zum Gesetzentwurf zur "Ehe für alle" vor. Und sie beziehen diesen Satz auch auf die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche. Der sogenannten Amtskirche stehen die beiden schon lange fern, in St. Severin fühlen sie sich wohl und akzeptiert.
Die beiden sind seit 1991 ein Paar und haben in ihrem Leben als Homosexuelle unterschiedliche Erfahrungen mit Toleranz bzw. Akzeptanz gemacht. Rolands Eltern haben nicht lange gebraucht, um die Homosexualität ihres einzigen Kindes zu akzeptieren. Sein Vater war ein bisschen traurig, dass er keine Schwiegertochter bekommen würde. Seine Mutter hat sich immer vehement für ihren Sohn eingesetzt. Sie hat die beiden zu vielen Events der schwulen Community begleitet, auch zu zahlreichen Fernsehauftritten. Rainer tanzt schon seit vielen Jahren bei den Pink Poms, Roland war zehn Jahre lang als "Funkenmariechen" der Rosa Funken aktiv. Rainers Outing führte zu einem langjährigen Zerwürfnis mit seinen Eltern. "Ich habe sie schon hin und wieder besucht, war aber viele Jahre bei keiner Familienfeier dabei", erzählt er. "Auch an Weihnachten war ich nicht bei der Familie, und Roland war dort lange nicht willkommen", fügt er hinzu. Erst als Rainers Schwester heiratete und Kinder bekam, änderte sich die Haltung der Eltern allmählich. Am Ende des Lebens von Rainers Vater war Roland, der sich rührend um den Erkrankten kümmerte, dann quasi der Lieblingsschwiegersohn.
"Aber manche Verletzungen kann man nicht einfach vergessen, und verlorene Zeit kann man nicht nachholen", stellt Rainer immer noch ein wenig traurig fest.
In seinem Beruf hat er keine Diskriminierung erfahren. Er arbeitet schon seit vielen Jahren im gleichen Betrieb, fühlt sich dort völlig integriert. Roland begleitet ihn ganz selbstverständlich zur alljährlichen Weihnachtsfeier. Roland hat in seinem beruflichen Umfeld auch andere Erfahrungen gemacht, fühlte sich an einer Arbeitsstelle "irgendwie gemobbt." In einer anderen Institution bemerkte er, dass ein Vorgesetzter, mit dem er eng zusammenarbeitete, sich distanzierter verhielt, nachdem er von Rolands Homosexualität erfahren hatte. Für andere Kollegen war diese aber überhaupt kein Thema.
Seit 2016 sind Roland und Rainer verpartnert. Sie denken gerne an das Fest zu diesem Anlass zurück und an die berührende Festrede, die der in diesem Jahr verstorbene Pfarrer Josef Embgenbroich dort gehalten hat. Auch im Zusammenhang mit der Verpartnerung weisen sie auf eine Diskriminierung von Homosexuellen hin: Auf der Steuerkarte steht "verpartnert", also weiß jeder gleich, dass die dort genannte Person lesbisch oder schwul ist.
Beiden Männern ist klar, dass Nicht-Heterosexuelle kaum irgendwo so akzeptiert werden wie in Köln. Dennoch gehen sie in der Öffentlichkeit nicht Hand in Hand. Sie müssen leider auch heute noch – oder wieder mit Übergriffen rechnen. "Rainer würde mich auf der Straße auch niemals küssen", stellt Roland mit einem Schmunzeln fest. "Ich finde allerdings intensives Rumgeknutsche in der Öffentlichkeit auch bei Heterosexuellen nicht angebracht", kontert Rainer.
Roland und Rainer machen sich viele Gedanken darüber, dass in den meisten Ländern dieser Welt Menschen, die nicht heterosexuell leben, keinerlei Akzeptanz erfahren. Und es macht sie auch immer wieder traurig, dass ihre muslimischen schwulen Freunde ihre Homosexualität meistens vor ihren Familien geheim halten müssen.