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Krypta : Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte

Der emeritierte Kirchenhistoriker Hubert Wolf enthüllt in seinem Buch zehn verdrängte und vergessene Traditionen in der Kirche, die Reformideen für die Kirche von morgen sein könnten.

Immer wieder reagieren Lehramt und Bischöfe auf Forderungen nach Veränderung mit dem Hinweis, die Struktur der Kirche und ihrer Ämter entspräche dem Willen Gottes, Veränderungen seien ein Sakrileg, und außerdem sei es immer schon so gewesen.

Der Autor steigt mit seinen Lesern in die "Krypta", den ältesten Ort einer Kirche, das Fundament. Er nimmt die Leser mit zu den Wurzeln und Fundamenten des Glaubens und zeigt auf anregende und leben-dige Weise auf, dass es keineswegs "immer so war" wie heute. Hubert Wolf bringt eindrucksvolle Beispiele:
Heute werden Bischöfe völlig frei vom Papst ernannt, abgesehen von wenigen Einschränkungen aufgrund bestehender Konkordate. Die betroffenen Gläubigen sind am Entscheidungsprozess nicht beteiligt. Vorschlägen muss der Papst nicht folgen.
In der Frühzeit der Kirche wurde der Bischof durch die Gläubigen gewählt. Der heilige Ambrosius, Bischof von Mailand, schrieb: "Zu Recht wird angenommen, dass derjenige durch göttliche Entscheidung gewählt wurde, den alle gefordert hatten." Warum sollte dann aber eine aktive Beteiligung der Gläubigen an der Wahl ihres Bischofs dem Willen Gottes nicht entsprechen?

Heute sind Frauen von allen Weiheämtern ausgeschlossen, weil – so die theologische Aussage – die Geweihten Jesus repräsentieren, Jesus aber ein Mann war. Dies sei von Anfang an die Überzeugung der Kirche gewesen. Hubert Wolf weist nach, dass Äbtissinnen als Vorsteherinnen bedeutender Frauenklöster, zumindest bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts umfassende geistliche Vollmachten wahrnahmen und mehr oder weniger quasi-bischöfliche Funktionen ausübten. Interessant ist, dass bei der Weihe von Äbtissinnen „über weite Strecken einfach der Text der Bischofsweihe verwendet“ wurde. Dies wurde erst 1970 (!!) geändert: "Alle an die Bischofsweihe gemahnenden Passagen wurden gestrichen und der ganze Akt auf eine harmlose Einsegnung der Äbtissin reduziert, um alles zu vermeiden, was irgendwie an die Weihe von Frauen erinnert hätte." Ist die Ablehnung der Weihe von Frauen zu Diakoninnen nicht vielmehr Audruck der Angst der Zölibatären vor den Frauen?

Das Konzil von Trient beschäftigte sich zwar mit der Liturgie, konnte aber aus Zeitgründen diese Arbeit nicht abschließen. Man erteilte daher dem Papst den Auftrag, ein Messbuch zu erstellen, um den Wildwuchs, der in der Liturgie herrschte, zu bekämpfen. Der Papst machte es sich nach Hubert Wolf einfach, indem er auf das römische Messbuch zurückgriff. Pius V. schrieb selbst, dass es "keine völlige Neuschöpfung, sondern vielmehr eine Herstellung des alten Brauches der römischen Kirche mit zeitgemäßen Änderungen" sei. "Es handelt sich also nicht", so Hubert Wolf, "um einen von den Konzilsvätern aus unterschiedlichen Ländern gebilligten Ritus, sondern um den in Rom praktizierten Messritus, der nur leicht modifiziert für die ganze katholische Welt vorgeschrieben wurde". Streng genommen gibt es also gar keine "tridentinische Messe". Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass alle lokalen liturgischen Traditionen, die mindestens zweihundert Jahre zurückreichten, neben der "tridentinischen Messe" weiter bestehen durften. Wäre es nicht klüger gewesen, eine solche Regelung auch bei der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils vorzusehen?

Die weiteren Ausführungen Hubert Wolfs beschäftigen sich mit den Aufgaben des Domkapitels und der Kardinäle, mit den Orden und der Stellung der Laien und mit Gemeindestrukturen. Alles ist geworden. Vieles war nicht immer so. Die Kernaussage des Autors lautet: "Was dem geschichtlichen Befund widerspricht, kann nicht zu einer dogmatischen Wahrheit erhoben werden".

Barthel Schröder

Hubert Wolf, Krypta - Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte, C. H. Beck, ISBN 978-3-406-67547-8 (c) Beck-Verlag