Welche Rolle spielen für dich Traditionen in deinem Beruf?
Hier ist es mir schon wichtig, Traditionen weiterzugeben, zum Beispiel die Kinder in der Karnevalszeit mit dem traditionellen Liedgut vertraut zu machen. Unseren Kindergarten gibt es noch nicht lange, gewisse Orientierungen ergeben sich gerade erst. Das wurde bei unserer Sankt-Martin-Feier für mich recht deutlich. Es handelt sich nicht um einen konfessionellen Kindergarten, und ich fand es schade, dass die Figur Sankt Martin nicht in ihrer Tiefe deutlich wurde. Vielleicht hätte man besser ein anders gestaltetes herbstliches Fest feiern sollen, so war es nicht stimmig.
Wann bereiten dir Traditionen eher Unbehagen?
Wenn zum Beispiel in den Kölner Karnevalsgarden die einzige Frau unter Hunderten von Männern das Tanzmariechen ist. Wenn eine Frau selbstverständlich Bundeskanzlerin werden kann, aber Frauen in der Kirche immer noch nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie die Männer. Normal wäre für mich, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden.
Und Traditionen in der Liturgie?
Die Liturgie empfinde ich zum Teil als zu traditionell und festgelegt. Auch auf Weihrauch kann ich verzichten. Die Gläubigen sollten noch mehr einbezogen werden. Ich persönlich wünsche mir, dass gemeinsames zur Ruhe kommen, Taize-Gesänge im Gottesdienst eine größere Rolle spielt. Ich bin mir aber bewusst, dass Elemente des Gottesdienstes, die mir nicht so wichtig sind, anderen viel bedeuten. Für mich muss der "Kern" bestehen bleiben, auch wenn ich mir wünsche, dass Traditionen behutsam verändert werden können. Jeden Sonntag einen Gottesdienst zu besuchen, ist für mich nicht notwendig. Allerdings stelle ich fest, dass Glauben und Spiritualität, die für viele junge Menschen in meinem Alter geradezu Tabu-Themen sind, in mir fest verwurzelt sind.