Kölsch oder Kerze

Wer oft zum Friedhof geht, dem sind die verstorbenen Angehörigen besonders wichtig, wer selten oder gar nicht geht, der hat keine gute Beziehung zu ihnen gehabt - so ein gängiges (Vor)-Urteil. Lilo M. und Helga M. teilen dieses Urteil nicht.

Der Friedhof gehört zum Zuhause.

Lilo M. (80) wohnt in unmittelbarer Nähe des Südfriedhofes. Als ihr Mann vor 15 Jahren starb, wurde er im Familiengrab bestattet. In den ersten Monaten nach seinem Tod ist sie täglich zum Grab gegangen, inzwischen besucht sie es einmal in der Woche, bringt Blumen hin und zündet eine Kerze an. Das Grab hat sie in Pflege gegeben, aber "ich bin erst glücklich, wenn auf dem Grab kein Blättchen liegt".

Ganz selbstverständlich ist für sie, mit dem Verstorbenen zu sprechen. Sie sagt dann so etwas wie 'Jetzt hast du wieder Licht', wenn sie eine Kerze angezündet hat, oder 'Du hättest aufpassen können, dass die Kaninchen nicht alle Blumen auffressen'. Solche Gespräche am Grab führen nach ihrer Erfahrung viele Menschen aus ihrem Freundeskreis.

Der Friedhof gehört zu Lilo Ms Zuhause.
Am Grab ihres Mannes und seiner Eltern hat sie einen Gedenkstein für ihre eigenen Eltern aufstellen lassen, weil deren Grab aufgegeben ist. "Und an meinem Geburtstag bringe ich immer einen Blumenstrauß zu meiner Mutter."

Lieber ein Bier auf dem Bootshaus.

Helga M. (77) besucht das Familiengrab auf dem Südfriedhof zweimal im Jahr. Dort ist zuletzt vor 15 Jahren ihre Mutter bestattet worden. Sie, die zu Lebzeiten selbst keine "Friedhofsgängerin" war, ist 96 Jahre alt geworden. Als die Tochter ihr einmal einen Friedhofsbesuch vorschlug, wollte sie lieber zum Rodenkirchener Bootshaus gehen und da ein Bier trinken. "Auf dem Friedhof bin ich noch lange genug", hat sie damals argumentiert. Wenn Helga M. gelegentlich ein schlechtes Gewissen hat wegen ihres seltenen Grabbesuches, erinnert sie sich an diese Aussage.

An die Mutter denkt sie gern und oft. Sie hat sie über viele Jahre versorgt und gepflegt. Das Gedenken ist für sie nicht mit dem Friedhof verbunden, sie fühlt sich der Verstorbenen viel näher in ihrem Haus, das sie gemeinsam bewohnt haben.

Beruhigend ist für Helga M., dass auch Verwandte das Grab besuchen und seine Pflege im Blick haben, sodass sie sich nicht alleine dafür verantwortlich fühlen muss.