Nach einer syrischen Kirchenordnung aus den Anfängen unseres Glaubens war jeder Diakon verpflichtet, am Morgen den Strand nach angeschwemmten Toten abzusuchen. Er hatte sie zu waschen, angemessen zu kleiden und würdig zu begraben, unabhängig von Nationalität, Geschlecht und religiösem Bekenntnis.
Von Anfang an wurde also in der Kirche der Beisetzung der Toten eine hohe Bedeutung zugemessen. Deshalb wurde den sechs Werken der Barmherzigkeit, die Jesus nennt (Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte bekleiden, Kranke pflegen und Gefangene besuchen), um das Jahr 300 als siebtes Werk die Bestattung der Toten hinzugefügt.
Nun hat es, solange Menschen auf dieser Erde leben, keine Kultur gegeben ohne Sorge für die Toten, ohne aufwendige Beerdigungen und Zeremonien. Darin kommt nicht nur der Dank für ihr Dasein und die damit verbundene Lebensleistung zum Ausdruck, sondern auch der Glaube, dass die Toten weiterhin für die Lebenden von Bedeutung sind. Daher gibt es in allen Kulturen den Wunsch, die Toten heimzuholen und nicht in fremder Erde begraben sein zu lassen.
Für Christen macht die Beerdigung der Toten die Hoffnung sichtbar, dass am Ende jeden menschlichen Lebens nicht die Verendung, sondern die Vollendung durch Gott steht. Nach christlichem Glauben ist jeder Mensch für Gott von Wert, da von ihm gewollt, und somit nicht ersetzbar oder austauschbar. Daher soll auch in der Predigt der Trauerfeier "das gelebte Leben des Verstorbenen seine einmalige Bedeutung bekommen" (Uwe Timm). Die Beerdigung der Toten ist also äußeres Zeichen dafür, dass nicht Sinnlosigkeit und Zufall das menschliche Leben bestimmen, sondern ein liebender Gott, der das Bruchstückhafte jeder menschlichen Existenz zu einem heilvollen Ganzen vollenden wird.
Christen haben von Anfang an die leibliche Auferstehung der Toten verkündet. Die Auferweckung Jesu zeigt, was Menschen nach ihrem Tod erwartet. Dies meint keine Wiederherstellung des irdischen Leibes, sondern bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass die Menschen nach ihrer Auferstehung entsprechend dem Beispiel Jesu mit ihrer ganz persönlichen Geschichte für andere erkennbar bleiben.
Die Jünger erkannten den auferweckten Jesus an seinen Wundmalen.
Zeichen für diesen Glauben ist und bleibt die Erdbestattung. Sie war bis nach dem Krieg für ein kirchliches Begräbnis bindend, zudem wurde die Feuerbestattung gezielt als bewusste Abgrenzung zum christlichen Glauben an die Auferstehung propagiert. Heute empfiehlt die Kirche die Erdbestattung, verbietet jedoch die Feuerbestattung nicht, "sofern sie nicht aus Gründen gewählt wurde, die der christlichen Glaubenslehre widersprechen und der Glaube an die Auferstehung dadurch nicht ausdrücklich geleugnet werden soll". In der orthodoxen Kirche wird die Feuerbestattung bis heute abgelehnt; ihre Zulassung in der katholischen Kirche ist ein neues Hindernis auf dem Weg einer Wiedervereinigung.
"Tote begraben" meint mehr, als sie unter die Erde zu bringen, meint, sie in Erinnerung zu behalten: "Auferstehung ist unser Glaube, Wiedersehen ist unsere Hoffnung, Gedenken unsere Liebe" (Augustinus). Mit dem Grab hat diese Erinnerung einen besonderen Ort, an dem die Toten einen Namen haben – ihren. Daher war es eine alte kirchliche Tradition, an der die Juden heute noch festhalten, keine Gräber aufzugeben und damit auch an die Sterblichkeit der Menschen zu erinnern.
Heinrich Böll hat kurz vor seinem Tod für seine Enkelkinder geschrieben: "Wir kommen weit her, liebes Kind, und müssen weit gehen. Keine Angst. Alle sind bei dir, die vor dir waren. Deine Mutter, dein Vater und alle, die vor ihnen waren, weit, weit zurück. Alle sind bei dir. Keine Angst. Wir kommen weit her und müssen weit gehen, liebes Kind."
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Barthel Schröder, Diakon