Bei der Beerdigung meines Vaters hat es mir bei der Trauerfeier gut getan zu spüren, dass der Pfarrer wirklich eine Beziehung zu ihm hatte.
Meine Eltern haben sich vor 25 Jahren getrennt, vor 10 Jahren hat mein Vater wieder geheiratet – eine Frau, die ihrerseits auch geschieden ist. Mein Vater war längere Zeit im Hospiz, meine Geschwister und ich konnten uns dort von ihm verabschieden, auch meine Mutter war da, auf seinen Wunsch hin, und Freunde aus der Zeit der ersten Ehe. Das geschah aber eher heimlich, weil es offensichtlich für die jetzige Ehefrau – also meine Stiefmutter – schwierig war. Wir Kinder und unsere Mutter, wir haben uns sehr unsicher gefühlt am Grab, wo unser Platz ist, wo wir "in der Reihe stehen" und wie wir mit den Beileidsbekundungen umgehen. Zur anschließenden Beerdigungs-feier waren wir Kinder eingeladen, und es war auch ein Platz für uns vorgesehen, nicht aber für meine Mutter. Dafür war aber der geschiedene Mann der zweiten Frau eingeladen. Damit umzugehen fiel mir schwer.
Meine Schwiegermutter stirbt zwei Jahre nachdem meine Frau und ich uns getrennt haben.
Ich hatte auch nach der Trennung immer engen Kontakt zu ihr, habe am Sterbebett gesessen. Mit mir hat sie besprochen, wie sie sich ihre Beerdigung vorstellt. Dennoch habe ich keine "Stimme" nach ihrem Tod, bin ausgeschlossen bei der Besprechung mit Pfarrer und Bestatter. In der Trauerhalle setze ich mich in die dritte Reihe. Auch auf dem Weg zum Grab bleibe ich im Hintergrund, gehe bewusst allein. Der Pfarrer fragt, einfühlsam, ob er neben mir gehen soll. Die Frage tut mir gut, aber ich entscheide, den Weg allein zu gehen.
Am Grab fühle ich mich kritisch beobachtet von Freunden und Verwandten der Verstorbenen. Dem anschließenden Beisammensein bleibe ich fern, gehe später noch einmal allein zum Grab und verabschiede mich.
Völlig unerwartet ist mein geschiedener Mann gestorben mit gerade Anfang sechzig.
Per SMS hat es seine jetzige Partnerin unserer Tochter mitgeteilt. Unsere Trennung liegt mehr als 20 Jahre zurück, und wir hatten seither keinen Kontakt, dennoch hat mich diese Nachricht – und nicht zuletzt auch die Art der Übermittlung – überraschend stark berührt. Unsere Tochter hatte sporadischen Kontakt zum Vater, allerdings nicht zu den verschiedenen Partnerinnen, die es zwischenzeitlich gab. Sie wollte auf jeden Fall zur Trauerfeier und zur Beerdigung gehen, erfuhr aber erst zwei Tage vorher den Tag, die Zeit und den Ort. Und sie wünschte sich meine Begleitung. Ich habe ihr zugesagt, mit ihr dorthin zu fahren, wollte aber weder an der Trauerfeier noch am Begräbnis teilnehmen. Sehr unsicher waren wir beide, ob es einen Kranz, ein Gesteck, mit oder ohne Schleife geben sollte. Wir wussten nicht, wie es bei der Lebenspartnerin "ankommen" würde, fürchteten einen Eklat. So hat meine Tochter nur einen Blumenstrauß ins Grab geworfen. Sie hat sich sehr allein gefühlt. Das war auch für mich schmerzlich, aber ich sah keinen anderen Weg. Gemeinsam sind wir am nächsten Tag zum Friedhof gegangen.