Atem - los

Wie leben Menschen, die nicht nur ihre vertraute häusliche Umgebung verloren haben, sondern auch noch die Eigenständigkeit des Atmens? Wie gehen sie mit diesem schwerwiegenden Verlust um? Gibt es in ihrem Leben so etwas wie "Gewinn"? Diakon Dr. Barthel Schröder hat diese Fragen den Bewohnern und dem Personal der "Beatmungspflege St. Severinus" (in unmittelbarer Nähe des "Severins-Klösterchens", wie das Krankenhaus der Augustiner­innen genannt wird) gestellt. Ein ganz besonderes Gespräch, das ihn selbst sehr bewegt hat.

Große helle Zimmer im fünften und sechsten Stock, die einen herrlichen Blick über Köln ermöglichen, erwarten den Besucher. "Wir möchten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner die Einrichtung als Zuhause erleben, deshalb können die Zimmer individuell gestaltet werden, mit wohnlicher Atmos­phäre." Das ist Stephanie Armbrecht und Hubert Andert (Pflegedienstleitung) wichtig. Zum Konzept des Hauses gehört auch, dass die Bewohner jederzeit ohne Zeitbe­schrän­kung besucht werden können, damit ein problemloser Einbezug der Familie und Freunde gewährleistet ist. Für Menschen, die ohne maschinelle Atemunterstützung nicht auskommen, ist hier dank optimaler Therapie und kompetenter Pflege eine neue Form des Lebens möglich. "Wir möchten den Pflege­bedürftigen ein Höchstmaß an Unabhängig­keit, Wohlbefinden und damit Lebensqualität zukommen lassen" – das liegt der Pflege­dienstleitung am Herzen.

Patienten, die langfristig auf künstliche Beatmung angewiesen sind, bedürfen einer Betreuung über 24 Stunden. Das kann im häuslichen Umfeld – selbst in Zusammen­arbeit mit Fachkräften – bei allem guten Willen nicht angemessen geleistet werden.

Mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zu sprechen, ist nicht einfach. Tracheal­beatmung (über eine in der Luftröhre liegende Kanüle) und Sauerstoffmangel durch ein stark reduziertes Lungenvolumen lassen jedes Wort zu einer großen Belastung werden. Das Sprechen ist stark erschwert, nach wenigen Worten braucht es eine lange Pause, um wieder zu Atem zu kommen. Manche Patienten können nur den Mund bewegen. Die pflegenden Fachkräfte lesen von den Lippen und dolmetschen in der Unterhaltung. Andere schreiben statt zu sprechen. Dass die Bewohner trotz dieser Erschwernisse zu einem Gespräch bereit waren, dafür sei ihnen an dieser Stelle noch einmal gedankt.

Wichtig ist ihnen, deutlich zu machen, dass sie durch das Wohnen in der Einrichtung erfahren: Auch ein Leben mit Atmungs­unterstützung kann ein sehr lebenswertes Leben sein. Es sind nun ganz andere Dinge, an denen sie sich erfreuen, und die sie glücklich machen. Stark entlastend empfinden sie, dass den eigenen Angehörigen eine große Sorge abgenommen ist, denn sie können sicher sein, dass zu jeder Zeit die optimale medizinische Betreuung gewährleistet ist. Voll des Lobes sprechen sie über das Pflegepersonal und über die Tatsache, dass die Pflegeleitung, Stephanie Armbrecht und Hubert Andert, für alle direkt ansprechbar ist.

Liebevolle Betreuung (c) Jennifer Braun

Sie genießen den Blick über Köln und die Möglichkeit, das Zimmer selbst gestalten zu können. So verschieden die Bewohner, so verschieden zeigen sich die Wohnräume. Lebensmittelpunkt ist der zentral gelegene Wohn- und Essbereich, in dem gemeinsam mit dem Pflegepersonal der Tag geplant und gestaltet wird. Neben individueller Einzel­betreuung stehen vielfältige Freizeit- und Beschäftigungsangebote auf dem Programm. Sie reichen von Plätzchenbacken, über Basteln, gemeinsames Spielen bis hin zu musikalischen Veranstaltungen. Soziale Teilhabe ist von großer Wichtigkeit, um Depressionen vorzubeugen – davon sind die pflegenden Kräfte überzeugt.

Bei allen positiven Möglichkeiten ist für die Bewohner der Einrichtung doch die Erkenntnis schwer zu ertragen, dass es Krankheiten und Gebrechen gibt, die nicht zu heilen sind. Schwer fällt es auch zu akzeptieren, dass es nie mehr eine Rückkehr nach Hause in die eigene Wohnung geben wird, in der man zum Teil über 30 Jahre gelebt hat. Ängste, die Atemunterstützung könne versagen und es würde nicht bemerkt, treten immer wieder auf. Obwohl stets rechtzeitig Hilfe da war, bleibt die Angst. Das Leiden am eigenen Leiden macht hin und wieder depressiv. Auch hier gibt es psychologische Hilfestellung, die den seelischen Schmerz nur lindern, aber nicht aufheben kann. 

Es sei Gott dafür gedankt, dass es die Stiftung der Cellitinnen e.V. gibt, die sicherstellt, dass Menschen nicht atemlos bleiben, und mit ihrem Los nicht allein gelassen werden.