Für Sie gelesen

"Das Buch des Vergebens – Vier Schritte zu mehr Menschlichkeit"

Desmond Tutu und Mpho Tutu

Die 2014 erschienene deutsche Ausgabe ist nur noch gebraucht, in digitaler Form (Kindle) oder als Hörbuch erhältlich.

Lesebrille (c) SilviaBins

Schon vor Jahren hat mich das Buch des kürzlich verstorbenen anglikanischen Erzbischofs Desmond Tutu und seiner Tochter Mpho Tutu – sie ist Priesterin einer Episkopalkirche – nachhaltig beeindruckt; im Blick auf das aktuelle Pfarrbriefthema habe ich es erneut in die Hand genommen. Und neuerlich bin ich beeindruckt von den überzeugend vorgetragenen Anleitungen zu Vergebungs- und Versöhnungsprozessen. 
Als Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika ist Tutu wie kein anderer in der Lage, das Thema aufgrund eigener Erfahrung zu entfalten.

"Ich habe oft gesagt, dass es für Südafrika ohne Vergebung, ohne Versöhnung keine Zukunft gegeben hätte. Unsere Wut und das Streben nach Rache hätten uns in den Untergang geführt. Das Gleiche gilt auch für jeden einzelnen Menschen und für die Menschheit insgesamt."

Wege zur Vergebung als Voraussetzung zur Versöhnung, das beschreiben beide anschaulich – zum Teil erschreckend anschaulich – und konkret anhand sehr vieler Beispiele. Dabei geht es um Erfahrungen, die wir aus unserem Alltag kennen, aber sie berichten auch von gravierenden Verletzungen, von unvorstellbarer Grausamkeit.

Vergebung und Versöhnung beschreiben sie als einen Weg in vier Schritten:

  • Die Geschichte erzählen
  • Die Verletzung beim Namen nennen
  • Vergebung praktizieren
  • Die Beziehung erneuern oder beenden

Sie betonen immer wieder, wie schmerzhaft und schwierig diese Prozesse sind, aber auch wie befreiend, wenn sie gelingen. Sehr klar machen sie deutlich, dass Vergeben nicht Vergessen bedeutet und dass mit Vergebung keinesfalls Recht und Gesetz außer Kraft gesetzt sind.

Es geht in dem "Vierfachen Pfad" – wie sie es nennen – nicht nur um das aktive Vergeben in einem zwischenmenschlichen Konflikt, sondern auch um die Selbstvergebung und um Situationen, in denen wir Vergebung benötigen. Entgegen der landläufigen Vorstellung, dass Vergebung ein Zeichen von Schwäche sei, wird deutlich, dass es vielmehr ein Akt von oft mühsam erkämpfter Stärke ist.

Die vier Schritte werden ausführlich und praxisnah beschrieben. Jedes Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte, und zugleich gibt es jeweils Anleitungen zu meditativen Übungen und Ritualen, die den Prozess unterstützen.

"Der Vierfache Pfad ist ein Dialog, an dessen Anfang die persönliche Entscheidung steht, Heilung erfahren und frei sein zu wollen … wir sitzen inmitten unseres Schmerzes und Verlustes und müssen entscheiden, welchen Weg wir einschlagen: Vergeltung oder Versöhnung... Es spielt keine Rolle, ob die andere Person bereut oder ohne Reue ist, … Schuld eingesteht. Vergebung ist keine Entscheidung, die wir für andere treffen, es ist eine Entscheidung, die wir für uns selbst treffen."   

Ingrid Rasch