Wir hinterlassen Spuren

... ob wir es wollen oder nicht, davon ist der 25jährige Sozialpädagoge Max K. überzeugt, und das erfährt er im Kinder- und Jugendzentrum GOT Elsaßstraße. Dort hat er schon in seiner Studienzeit gearbeitet; zugleich war er Mitglied des Jugendleitungsteams St. Severin.

"Ich bin mein eigenes Vorbild, ich wollte ganz lange wie Ariana Grande sein und das hat mich sehr unglücklich gemacht, weil ich nicht wie sie war. Ich habe immer nur gesehen, was sie alles geschafft hat. Ich hatte dann oft das Gefühl, selber nichts zu schaffen."

Vorbilder spielen eine zentrale Rolle in der Identitätsbildung. Sie ermöglichen es uns, verschiedene Eigenschaften und Verhaltensweisen auszuprobieren um herauszufinden, was zu uns passt. Dieser Prozess von "Versuch und Irrtum" erstreckt sich über Monate und Jahre. Junge Menschen stellen sich Fragen wie: 

  • Passt das Hobby meines Vorbilds zu mir? 
  • Möchte ich dieselbe Kleidung tragen? 
  • Möchte ich dieselbe Sprache benutzen? 
  • Muss ich auch Drogen konsumieren, um erfolgreich zu werden? 
  • Was bringt mir der Schulabschluss, wenn ich im Bereich Social Media arbeiten möchte?

Diese Fragen zeigen, wie intensiv sich Jugendliche mit ihren Vorbildern auseinandersetzen und wie sie durch Aneignungs- und Abgrenzungsprozesse ihre eigene Identität formen.

Wichtig finde ich, zwischen (alltäglichen) Vorbildern und Idolen zu unterscheiden. Viele Persönlichkeiten werden von jungen Menschen nicht in ihrer Alltäglichkeit erlebt, was zur Folge hat, dass sie selten in ihrer Ganzheitlichkeit betrachtet werden. Der Fokus wird oftmals auf eine Eigenschaft oder den Erfolg des Vorbilds gelegt, woraufhin die Person als Gesamtes idealisiert und ein Idol wird. Die Reflexion dieser Idole ist fester Bestandteil unserer Arbeit und bestimmt unser pädagogisches Handeln jeden Tag.

Idole werden in den seltensten Fällen nachhaltige und konstruktive Strategien für Situationen bereitstellen, die unseren Alltag bestimmen, so etwa:

  • Wie gehe ich mit Konflikten um? 
  • Schlage ich zu oder suche ich das Gespräch? 
  • Wenn ich in einen Diskurs gehe, wie werde ich gehört und wie höre ich mein Gegenüber? 
  • Wie gehe ich mit Belastungen um? 
  • Wie gehe ich mit Ängsten um? 

Diese alltäglichen Fragen sind entscheidend für die persönliche Entwicklung und das soziale Miteinander. Als pädagogische Fachkräfte können wir durch unser Verhalten und unsere Wertehaltung ein authentisches und erreichbares Vorbild sein und Reflexionsanstöße in Bezug auf die oben genannten Fragen bieten.

Vielleicht ist es gar nicht notwendig, sich zwischen Idolen und alltäglichen Vorbildern zu entscheiden. Beide haben ihre Berechtigung und können sich ergänzen. Idole bieten Raum zum Träumen und inspirieren zu großen Zielen. Die alltäglichen Vorbilder hingegen helfen dabei, Wege zu suchen, ob und wie diese Träume realisierbar sind und geben praktische Hilfestellungen im alltäglichen Leben. Als pädagogische Fachkräfte können wir einen Raum bieten, in dem diese Träume ausprobiert und umgesetzt werden können. Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen in ihrer Selbstbestimmung und ihren Fähigkeiten der gesellschaftlichen Mitverantwortung zu fördern. Dabei ist es auch wichtig, kritisch zu hinterfragen, welche Botschaften wir vermitteln und ob sie mit unseren demokratischen und von Pluralität geprägten Grundwerten vereinbar sind.

Ob man selbst Vorbild ist oder nicht, sucht man sich nicht aus; es sind die Menschen, die uns zu ihren Vorbildern machen. Wir hinterlassen Spuren, ob wir es wollen oder nicht, und diese Spuren sind oftmals kraftvoller als wir denken. Vorbildhaftes Handeln muss nicht immer große Taten umfassen. Oft sind es die kleinen Gesten der Freundlichkeit, der Hilfsbereitschaft und des Respekts, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

In meiner pädagogischen Arbeit versuche ich, ein gutes Beispiel zu geben. Ob durch Zuhören, Unterstützung bei Bedarf oder einfach durch das Vorleben von Werten, die mir wichtig sind, und ich hoffe, dadurch positive Spuren zu hinterlassen. Das Nachdenken darüber hat mir auch bewusst gemacht, wie wichtig es ist, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und bewusst zu machen, welche Werte und Botschaften ich vermittle. Es geht nicht darum, Perfektion anzustreben, sondern authentisch und bewusst zu handeln. Denn wir alle können lernen gute Vorbilder zu erkennen und auch selbst solche zu sein – in unserer Familie, bei der Arbeit, in unserem Freundeskreis, unseren Beziehungen und unserer Gemeinschaft.     

GOT (Ganz offene Tür), Elsaßstr. 43, 50677 Köln

Das Kinder- und Jugendzentrum im Herzen der Südstadt (Träger ist der Caritasverband für die Stadt Köln) bietet Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 21 Jahren ein breites Spektrum an Freizeitaktivitäten und kulturpädagogischen Angeboten. Das vielfältige Programm umfasst neben Sport und schulischer Förderung Musik-, Theater- und Tanzprojekte, die den jungen Menschen die Möglichkeit geben, ihre kreativen Fähigkeiten zu entdecken und weiterzuentwickeln. An diesem Ort der Begegnung sind Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Lebenswelten willkommen und werden in ihren persönlichen und sozialen Kompetenzen gefördert und gestärkt.

www.caritas-koeln.de/hilfe-beratung/kinder-jugend-familie/got-elsassstrasse
www.foerderverein-got.de

Jugendliche aus der GOT hatten die Idee zu diesem Graffito, und ein pädagogischer Mitarbeiter hat sie auf dem PEV-Platz mit ihnen umgesetzt. (c) SilviaBins

Jugendliche aus der GOT hatten die Idee zu diesem Graffito, und ein pädagogischer Mitarbeiter hat sie auf dem PEV-Platz mit ihnen umgesetzt.