Durch den Mund zu den Menschen

Ralf Rhiel, seit 2006 Kirchenmusiker in unserer Pfarrgemeinde sprach mit Claudia P. von der Pfarrbriefredaktion über seine Erfahrungen mit dem Singen. Seine kirchenmusikalische Tätigkeit unterbrach er für zwei Jahre und sang an der Oper in Gelsenkirchen.

Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen sakralem und profanem Singen?

Es gibt da für mich keinen großen Unterschied. Wer singt, hat den Wunsch, sich zu äußern, etwas durch den Mund zu den Menschen zu bringen. Entscheidend ist dabei nicht, auf welcher Bühne der Sänger steht, sondern dass er die richtige Technik beherrscht, um ausdrücken zu können, was er singt. Leider trifft man dies nur nicht immer an. Das finde ich manchmal schwierig. Während meines Opern-Engagements hat mir auch zunehmend der Bezug zu Gott gefehlt, denn das Singen ist und bleibt immer mit den grundlegenden Fragen des Lebens verbunden.

Was ist damit gemeint?

Paul Klee hat gesagt: "Kunst macht das Unsichtbare sichtbar." Das stellt sich auch im Gesangsunterricht dar. Dort können manch unverarbeitete Dinge in der Psyche durch das Singen aufgebrochen werden. Singen setzt also sehr viel frei und ist somit auch ein Barometer für die Gefühlszustände der Seele.

Welche Rolle spielen die unterschiedlichen kirchlichen Räume, in denen Sie Musik gestalten?

Man ist stets darum bemüht, für jeden Ort und Anlass die ideale musikalische Vermittlungsform zu finden. Nicht ohne Grund sind ja für die unterschiedlichen Kirchenräume auch Schwerpunkte gesetzt worden, wie z.B. für St. Paul "in guter Tradition" oder in St. Maternus "in Ruhe und Raum". Daran kann man musikalisch durchaus schon vieles ablesen.

Ralf Rhiel singt nicht nur in der Kirche, aber dort besonders gern (c) SilviaBins

Ralf Rhiel singt nicht nur in der Kirche, aber dort besonders gern

Und welches Instrument bevorzugen Sie in St. Maternus?

Am Sonntagabend in Maternus finden sich Menschen ein, die in ruhiger abendlicher Stimmung in sich gehen, sich auf die neue Woche einstimmen wollen. Hier herrscht oft eine sehr intime Atmosphäre. Da wir ja in St. Maternus einen Flügel in der Kirche haben, nutze ich die Ausdrucksform über dieses Instrument gerne, um die herrschende Stimmung durch Klavierstücke oder die Begleitung der Lieder am Flügel einzufangen.

Mittwochs findet in St. Paul ein abendlicher Gottesdienst in der Paulus-Melchers-Kapelle statt. Welche musikalische Gestaltung bietet sich hier an?

Hier singen wir A-Capella und zwar so vielstimmig als möglich. Die besondere Akustik des Raumes vermittelt der singenden Gottesdienstgemeinde das Gefühl, ein großer Chor zu sein, auch bei kleiner Teilnehmerzahl. Auf diese Weise öffnet man sich hier beim Singen nicht nur für den Raum sondern auch füreinander. Dementsprechend wähle ich auch die Lieder aus, z.B. Gesänge aus Taizé wie "Laudate, omnes gentes".

Wie nehmen Sie selbst den Gesang der Gemeinde wahr?

Sehr intensiv. Man kann oft sehr schnell und deutlich spüren, wie die Gemeinde gestimmt ist. Hauptziel eines begleitenden Musikers sollte stets sein, dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, sich freizusingen. Wenn man durch ein Vorspiel, durch eine besondere Registrierung oder durch Zusatzakkorde in der Begleitung dazu beitragen kann, das das gelingt, bin auch ich erfüllt. Am Anfang war der Gesang der Gemeinde in St. Maternus am Sonntagabend sehr verhalten. Dies ist mit der Zeit sehr viel besser geworden. In St. Severin wird sehr voll mitgesungen, auch in St. Paul nehme lässt sich diese Entwicklung mit Freude wahrnehmen.

Wie wichtig ist die Auswahl der Lieder?

Nach meiner Erfahrung werden die Gottesdienste um so lebendiger und stimmiger, je genauer man sich zuvor mit dem Zelebranten zu dessen thematischen Gedanken abgesprochen hat. Es kommt aber auch oft vor, dass die Dramaturgie des Gottesdienstes dazu führt, ad hock ein anderes, vielleicht passenderes Lied einzuflechten. Dies ist in jedem Fall auch der Flexibilität und Offenheit unserer Zelebranten zu verdanken, die solch eine lebendige Gottesdienstgestaltung möglich machen.

Gibt es Rückmeldungen aus der Gemeinde zur Auswahl der Lieder?

Die gibt es durchaus, und zwar so gut wie immer positive.