Zwei Jünger Johannes' des Täufers suchen Jesus auf, und die erste Frage, die sie ihm stellen, lautet: "Rabbi, wo wohnst du?" (Johannes-Evangelium 1. Kapitel, Vers 38).
Dieser doch merkwürdige Beginn einer Berufungsgeschichte wird verständlich, wenn man bedenkt, welche Bedeutung die Wohnung für Menschen hat.
Sie ist der Ort, an dem man den Menschen, der dort seine Bleibe hat, mit Sicherheit antreffen kann, auch wenn man vielleicht warten muss. Die Frage nach seiner Wohnung ermöglicht den Jüngern, Jesus nicht direkt zu folgen, sondern ihn auch später aufsuchen zu können.
Jede Wohnung sagt viel über die Persönlichkeit des Bewohners aus. Die Art wie und mit wem gelebt wird, gibt einen ersten Blick auf ihn als Mensch frei. Was die beiden Jünger sahen, ist im Johannes-Evangelium nicht überliefert. Wir können es nur vermuten. Jesus wird bei Freunden gewohnt haben und sein ganzes Leben wird um die Verkündigung seiner Botschaft gekreist sein.
Die Wohnung ist darüber hinaus der Ort, an dem die Nähe zu Menschen in besonderer Weise gelebt und erlebt wird. Ein Zusammenleben, sei es als Familie oder Partnerschaft, setzt eine gemeinsame Wohnung voraus. Steht nicht auch am Beginn einer Freundschaft in der Regel die Einladung in die eigene Wohnung? Indem man die Tür zum eigenen Heim für einen Anderen öffnet, signalisiert man ihm, dass man über mehr Nähe glücklich wäre. Die beiden Jünger werden durch seine Wohnung die Gemeinschaft derjenigen erfahren haben, die Jesus unterstützten und folgten.
Die Wohnung ist auch der Ort, an dem ich mich zurückziehen kann. Als persönlicher Lebensbereich ist sie daher gesetzlich gegen jedwede Eingriffe, auch die des Staates, geschützt. Das Bedürfnis nach einer eigenen Wohnung wird neben dem Bedürfnis nach Nahrung und Kleidung zu den menschlichen Grundbedürfnissen gerechnet.
Das Bedürfnis nach einer Wohnung ist die Triebfeder für die Bemühungen in allen Religionen, Gott ein Haus auf Erden einzurichten, einen Ort zu schaffen, wo ER sicher anzutreffen ist, wo man mit ihm kommunizieren kann. Dome, Basiliken, Kirchen, Kapellen, Tempel, Synagogen und Moscheen legen davon beredt Zeugnis ab.