Wohnungslos wohnen

Annähernd 200 Männer leben im "Johanneshaus" in der Annostraße, weitere 160 Männer werden von dort aus betreut. Seit 35 Jahren ist Thomas S. im Johanneshaus tätig. Der Sozialarbeiter leitet den Fachbereich Eingliederungshilfe und das Annohaus. Zum "Wohnen im Johanneshaus" spricht er mit der Pfarrbriefredaktion.
 

Wer "Johanneshaus" hört, denkt sicher zuerst an die Notaufnahme?
Ja, das ist so, dabei macht dieser Bereich mit zwölf Plätzen nur einen kleinen Teil unseres Angebotes aus.
In die Notaufnahme kommen Männer aller Altersstufen - ab 18 Jahren, und manche sogar über 70 Jahre alt. Es sind Menschen, die sich wegen Obdachlosigkeit und Armut nicht mehr selbst helfen können; oft kommen soziale Schwierigkeiten, Sucht- oder psychische Erkrankungen hinzu.
Die Männer werden in der Notaufnahme mit dem Nötigsten versorgt, das heißt sie bekommen eine Schlafstelle in Doppel- oder Viererzimmern, Duschmöglichkeit, medizinische Hilfe und natürlich Essen. Darüber hinaus beraten wir sie und vermitteln sie im Hilfesystem weiter, wenn sie dazu bereit sind.

Und dann gibt es die sogenannte "Winterhilfe" – in diesem Rahmen bieten wir etwa 15 Schlafplätze in einem Schlafsaal an, um obdachlose Männer vor den Gefahren der winterlichen Witterung zu schützen.
Es sind meist EU-Bürger, z.B. aus Polen, Rumanien und Bulgarien, die zwar ein Aufenthaltsrecht in Deutschland besitzen, aber keinerlei rechtlichen Anspruch auf soziale Leistungen.

Kein Luxus, aber hell und freundlich präsentiert sich der Schlafsaal. (c) SilviaBins

Kein Luxus, aber hell und freundlich präsentiert sich der Schlafsaal.

Kann man bei diesen beiden Gruppen eigentlich von "Wohnen" sprechen?

Eher nicht. Es geht zunächst um die die Erfüllung elementarer Bedürfnisse, um das sprichwörtliche "Dach über dem Kopf". Die Winterhilfe endet im März, dann müssen die Männer wieder im Freien übernachten.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Wir unterstützen Männer mit einer suchtbedingten oder psychischen Erkrankung auf ihrem Weg zu einer selbstständigen und menschenwürdigen Lebensführung. Dazu bieten wir betreutes Wohnen im eigenen Wohnraum auf der Liegenschaft des Johanneshauses an oder dezentral in angemieteten Wohnungen im Kölner Stadtgebiet.

Bezahlbarer Wohnraum in Köln ist rar. Wie gelingt es ihnen, Wohnungen für diese Männer zu finden?

Das "Johanneshaus" mietet die Wohnungen an und vermietet sie dann an die Männer weiter. Unsere SozialarbeiterInnen betreuen die Männer, kümmern sich um Probleme mit Vermietern und Nachbarn. Ein Hausmeisterservice hilft dabei, die Wohnungen in einem guten Zustand zu erhalten. Hier ist Wohnen ein wichtiger Schritt in Richtung Eingliederung.

Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. (c) SilviaBins

Was bieten Sie für Männer an, die für eine solche Eingliederung nicht stabil genug sind?

In unserem "Resozialisierungs-Bereich" betreuen wir Menschen, die nicht nur wohnungslos sind, sondern die auch viele andere Probleme haben. Sie haben weder Arbeit noch Beschäftigung, oft haben sie Hafterfahrungen, sie haben Schulden, ihnen fehlt eine Perspektive. Und sie haben niemanden, der sie unterstützt. Langfristig wollen wir sie dabei unterstützen, eine Arbeit und eine eigene Wohnung zu finden.

In unserem Wohnheim versuchen wir ein weitgehend normales Leben in einem geschützten Umfeld zu ermöglichen. Hier leben oft ältere oder vorgealterte Männer. Die Beheimatung und die Hilfen, die andere durch ihre Familien erfahren stehen im Vordergrund.

 Im "Annohaus" wohnen eher Männer, die schon viele Hilfen erfolglos durchlaufen haben. Oft handelt es sich dabei um Männer, die von psychischer Erkrankung und extremer Sucht betroffen sind. Sie benötigen vielfältige Hilfen, zum Beispiel bei der Bewältigung ihrer Krankheit, bei der Körperhygiene, bei der Zimmer- und Wäschepflege und in akuten Krisen. Oft ist ein Netzwerk von Hilfen zu organisieren, hierzu gehören auch ambulante Pflegedienste.

Auch in diesen drei Bereichen kann man also von "Wohnen" sprechen?

Ja, unbedingt, und es gibt genau so vielfältige Formen des Wohnens wie bei anderen Menschen. Es gibt Bewohner, die ihre Einzelzimmer liebevoll einrichten und persönliche Gegenstände aufstellen, Bilder aufhängen und Fotos von Menschen, die ihnen wichtig sind. Andere legen wenig Wert auf die Wohnlichkeit und auf Ordnung in ihren Zimmern. Bei wiederum anderen finden sich kaum persönliche Gegenstände, aber sie halten Ordung und legen großen Wert auf Sauberkeit. Allen gemeinsam ist, dass sie in der Annostraße eine Adresse und ein Zuhause haben, manche auf Zeit, andere auf Dauer und nicht wenige sogar bis an ihr Lebensende.

Claudia Pabich