Dass es unsere Welt überhaupt gibt ...

Hermann-Michael Hahn, Physiker und Wissenschaftsjournalist aus Köln, sprach vor einiger Zeit in St. Severin zum Thema: "Hat Gott im Himmel der Astronomen noch Platz?" Seine fachliche Kompetenz hat die Pfarrbriefredaktion bewogen, ihn um die Darlegung seiner Gedanken zum Thema Wunder zu bitten.

Als Wunder im klassischen Sinne gelten gemeinhin Ereignisse, in denen Menschen das unmittelbare Wirken Gottes erahnen. Ereignisse also, die der allgemeinen Erfahrung und den – jeweils bekannten – Gesetzmäßigkeiten der Natur widersprechen. 

Nach dieser Definition wäre die Existenz der Welt, in der wir leben, das größte Wunder, denn sie setzt nach allgemeinem Verständnis die Erschaffung "aus dem Nichts" voraus. Andernfalls müsste man von einem zeitlos ewigen Bestand dieser Welt ausgehen, der aber schon in den Augen unserer frühen Vorfahren kaum zum ständigen Werden und Vergehen innerhalb dieser Welt passen konnte. Daran hat sich bis heute nichts geändert, denn mittlerweile wissen wir, dass alles, also die Welt, in der wir leben, und das, was in ihr lebt, aus den gleichen Bestandteilen aufgebaut ist. Man kann es auch so sagen: Die Sterne und wir bestehen aus dem gleichen Material – oder: Wir tragen den Himmel in uns! 

Weil das (vor allem früher) alles so unglaublich wunderbar erschien, wurde die Erschaffung der Welt in allen bekannten Hochkulturen mit dem Wirken der Götter oder des einen Gottes in Verbindung gebracht. Dass sich dabei manche Details verschiedener Überlieferungen ähneln, lässt auf enge Kontakte oder gleiche Erfahrungen und Beobachtungen der einzelnen Kulturkreise schließen – wie zum Beispiel im Vorderen Orient. Größere Distanzen ermöglichten dagegen gänzlich unterschiedliche Weltbilder und Religionsansätze (Asien, Süd- und Nordamerika, Australien). 

Allen Überlieferungen dieser Art ist gemeinsam, die Entstehung der Welt durch das Wirken einer Gottheit (oder gleich mehrerer) zu erklären.

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Doch – oh Wunder (!): Mit den modernen Erkenntnissen der Astronomie und Physik lässt sich die Existenz der Welt auch erklären, ohne auf die "Hypothese eines Gottes" zurückgreifen zu müssen, wie es der vor zwei Jahren verstorbene englische Physiker Stephen Hawking einmal zugespitzt formuliert hat.

Allerdings hüten sich die Kosmologen, die sich mit der Entschleierung der Geschichte des Universums befassen, vor der Behauptung, dass sie die real existierende Welt beschreiben. Aus all ihren Gleichungen und Berechnungen entwickeln sie lediglich das Modell einer Welt, das allerdings mit der realen Welt schon sehr gut übereinstimmt. Und eigentlich ist das ein Wunder, dass nämlich unser beschränkter Geist, der von den nicht einmal 1500 Gramm grauer Zellen in unseren Schädeln geformt wird, überhaupt in der Lage ist, die Objekte des Himmels und ihre Geschichte zumindest in groben Zügen zu verstehen – und alles andere um uns herum ebenfalls (außer vielleicht das eigene Verhalten).

Ganz aus dem Nichts ist aber auch eine solche "spontane Schöpfung" nicht wirklich vorstellbar. Als sogenannte Quanten-Vakuum-Fluktuation tritt sie zwar nach den Gesetzen der Quantentheorie im Vakuum auf, also im scheinbaren Nichts. Aber Vakuum setzt die Existenz eines Raumes voraus, in dem dieses Vakuum angesiedelt ist. Und eine Quanten-Vakuum-Fluktuation setzt darüber hinaus die Existenz von Energie innerhalb dieses Vakuums voraus.

Streng genommen wäre die spontane Entstehung „unserer“ Welt also nur aus einer bereits vorhanden gewesenen anderen Welt zu erklären. Aber ebenso streng genommen können wir nicht beweisen, dass diese andere Welt existiert, weil sie nicht Teil unserer Welt und unsere Welt nicht ein Teil von ihr ist. Unser Erfahrungshorizont bleibt auf "unsere" Welt beschränkt …
Gefragt nach dem Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft neige ich daher zu der Antwort: "Die einen wissen, dass sie glauben, die anderen glauben, dass sie wissen."