Lourdes – Potential einer inneren Veränderung

Klaus-Peter L. hat nicht gezählt, wie oft er nach Lourdes gefahren ist. Immer mit dem Malteser-Hilfsdienst, der diese Fahrten in speziellen Zügen organisiert, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und schwerwiegenden Erkrankungen eingerichtet sind. 2006 starb er 48jährig. Seine Schwester Uschi L.-B. erinnert sich gut an seine Wallfahrtsberichte und auch an eine eigene Reise als Schülerin der Irmgardisschule nach Lourdes. Dieser Ort habe das Potential einer inneren Veränderung, meint sie.

Was war die Erkrankung Deines Bruders? 

Zu Beginn seiner Schulzeit wurde eine gutartige Wucherung im Kleinhirn diagnostiziert. Mit den heutigen operativen und thera-peutischen Möglichkeiten hätte er gesund werden können. Damals räumte man ihm wenig Lebenschancen ein. Die Eltern und wir beiden Geschwister litten mit ihm. Anfangs ging er mit einem Rollator, später war er auf den Rollstuhl angewiesen. Er besuchte unterschiedliche Schulen und machte eine kaufmännische Ausbildung. Sein Unterstützungsbedarf stieg allerdings mit dem Alter.

Wie ging er mit der Behinderung um? 

Mein Bruder war immer sehr gläubig. Aus meiner heutigen Sicht meine ich, dass er sich einen unerschütterlichen Glauben bewahrt hat. Seine Behinderung konnte er annehmen, weil er der Überzeugung war, "das hat so sein sollen". In einer tiefen Frömmigkeit verehrte er Maria. Er war überzeugt, dass sie mit Menschen in Kontakt tritt. Die Marienmonate Mai und Oktober waren für ihn ganz wichtig.

Die erfahrene Gemeinschaft hat Klaus-Peter L. viel bedeutet. Foto: privat (c) privat

Die erfahrene Gemeinschaft hat Klaus-Peter L. viel bedeutet. Foto: privat

Wie hat das begonnen mit den Fahrten nach Lourdes? 

Schon als Jugendlicher war Klaus-Peter sehr kontaktfreudig. Mit dem Behindertentaxi fuhr er oft zu Gottesdiensten in St. Maria im Kapitol, wo damals ein Zentrum der katholischen Jugend Kölns war. Dort lernte er ein Mitglied der Malteser-Jugend kennen. Später nahm er immer an den Wallfahrten nach Lourdes teil. Das war fortan für ihn sehr wichtig, noch im Jahr seines Todes war er im Frühjahr dort. Bei der Erstkommunion unserer Tochter Franca hatten wir die Feier so geplant, dass alles barrierefrei war, aber er entschied sich, stattdessen nach Lourdes zu fahren. Ein Beispiel, dass es manchmal nicht einfach für die Familie war.

Was hat er in Lourdes erlebt, was hat die Fahrten für ihn so wichtig gemacht?

Er hat nicht auf eine wunderbare Heilung gehofft, aber er kam immer anders nach Hause. Das Wunder bestand darin, dass er voller Elan wiederkam und wusste, "so wie ich bin, bin ich richtig". Eine unglaubliche Zuversicht hat er dann ausgestrahlt. Er hat in Lourdes wohl alles mitgemacht, was da für ihn möglich war, zum Beispiel im Heilwasser baden, aber wohl nie in der Erwartung, anschließend wieder gehen zu können.  
Die erfahrene Gemeinschaft hat ihm viel bedeutet, auch die Erkenntnis, dass andere viel eingeschränkter waren als er. Und er hat das Fremde, das Andere geliebt.

Was ist gemeint mit dem Fremden? 

Lourdes ist ein internationaler Ort. Menschen aus aller Herren Länder kommen dort zusammen, feiern gemeinsam Gottesdienst. Jeder spricht das Vaterunser in seiner Sprache. Es hat ihm gefallen, auf fremde Menschen zu treffen und sich ihnen im Glauben verbunden zu fühlen.

Und Deine eigene Erfahrung mit der Fahrt nach Lourdes? 

Als Jugendliche fand ich das cool, mit anderen Mädchen aus der Irmgardisschule in einem Sonderzug dahin zu fahren. Der erste Eindruck vom Ort war grauenvoll. Eine überwältigende Fülle von Souvenirläden mit den grässlichsten Plastik-Marienfiguren. Da denkt man an die biblische Geschichte von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel. Und dann im Kontrast dazu der streng abgegrenzte Heilige Bezirk mit einer ganz eigenen Atmosphäre. Tief beeindruckt hat mich damals besonders das Nachtgebet in der Stille an der Grotte, das war etwas ganz Besonderes. Es gab mir das Gefühl: Hier kann etwas Wunderbares geschehen. Die Vielfalt der Sprachen, der Hautfarben, der Menschen mit Behinderungen und schweren Erkrankungen, der gegenseitige Respekt, all das hat mich nachhaltig berührt ebenso wie die besondere Gottesdiensterfahrung. Es ist schon lange her, aber ich kann es noch spüren.        

Das Gespräch führte Ingrid Rasch.