In der Bibel gibt es nach der Auferstehung die Situation, dass Thomas nicht glaubt, den auferstandenen Jesus vor sich zu haben. Er will sehen und anfassen. Ist der heilige Thomas ein Prototyp des kritischen Wissenschaftlers?
Nein, ich habe Thomas nie als Wissenschaftler gesehen, denn der Wissenschaftler ist kein Skeptiker, sondern jemand, der hoffnungsvoll ist und Mut zum Kontakt mit der Realität hat. Er stellt nicht andere in Frage, sondern sein eigenes Denken. Thomas erkennt die Wirkung von Jesus nicht und beschränkt sich auf eine einzige Art und Weise der Wahrnehmung.
Der christliche Glaube und die Wissenschaft sind verbunden in der Hoffnung, dass sich ein Problem, egal wie komplex es ist, kleiner machen lässt. Beide vereint der Mut zur Wahrheit und die Bereitschaft, aufeinander zu hören, um dadurch gemeinsam zum Ziel zu kommen. Beiden gemeinsam ist auch das Konzept der Lehre: Der Nachwuchs wird ausgebildet und bekommt zugleich Raum für freies Denken. Wenn unsere Nachwuchswissenschaftler neue Wege gehen und erstaunliche Dinge erfinden, ist das für mich wie ein Wunder.
Wenn die Kirche einen Menschen heilig spricht, dann muss ein Wunder vorliegen, meist ein Heilungswunder, das von Wissenschaftler*innen geprüft und als unerklärlich befunden wird. Welche Maßstäbe würden Sie da als Gutachterin anlegen?
Ich würde vor allem überprüfen, ob keine Manipulation vorliegt. Ansonsten würde ich mir eher ansehen, was diese Person bewirkt hat, und welche Spuren sie in ihrem Umfeld hinterlassen hat.
An welcher Stelle hören Sie auf zu forschen und überlassen die weitere Erklärung eines Phänomens der Glaubenskraft?
Ich kann alles untersuchen, was messbar ist. Wenn sich ein Phänomen im Versuch wiederholen oder simulieren lässt, dann ist es wissenschaftlich abgesichert. Das wahre Wunder ist, wenn Einzigartigkeit entsteht, und darauf hat die Wissenschaft keinen Zugriff.