Das klingt ja fast, als habe St. Maternus mythische Klangqualitäten.
Stockhausen: Alles kommt ja aus der Stille. Die ganze Existenz kommt aus der Stille oder aus dem Sein, wie Meister Eckhart sagen würde. Jede Form stammt aus dem Nichtsein, aus einer Leere, die eine andere Art der Fülle ist. Es gibt ein Manifestwerden und ein Verschwinden. Das Leben geht immer wieder in die Verbergung, habe ich einmal bei einem Mystiker gelesen. Das könnte man auch auf Maternus bezogen sagen. Der Begriff der Stille ist die Basis, auf der alles stattfindet. Alle Phänomene des Lebens erscheinen für mich aus dem Nichts und verwandeln sich wieder in ein Nichts.
Sie haben nun beide geschildert, wie Sie mit dem Raum von Maternus umgegangen sind. Haben Sie bei Ihren Auftritten auch aufeinander reagiert?
Zavelberg: Wir haben alle aufeinander reagiert, wir auf den Raum, der Raum auf uns und Markus und ich aufeinander. Markus hat sich zu meinen Lichtinstallationen allerdings auf eine eher unbewusste Art verhalten, weil er ja die Augen beim Spielen meistens geschlossen hält.
Stockhausen: Wir haben als Musiker aber die generelle Atmosphäre des Kirchenraums mitbekommen. Und da wir uns immer wieder auch durch den Kirchenraum bewegten, haben wir gesehen, was Rolf gemacht hat.
Zavelberg: Wenn ich einen Raum mit Licht gestalte, dann suche ich mir oft ganz bestimmte Stellen aus, an denen ich Lichtakzente setze. Ich nehme die energetischen Schwingungen von Orten wahr. So bin ich auch in Sankt Maternus vorgegangen. Ich habe meine Lichtgemälde in den Kirchenraum so platziert, um seine Vibrationen zu verstärken. Diese Orte sind dann wie Akupunkturstellen der Kirche. Und wie eine Akupunktur wirkt das kurzfristig, aber auch langfristig, wenn man die Nadeln wieder wegnimmt.
Stockhausen: Wenn ich zum Konzert in Maternus gekommen bin, ist Rolf Zavelberg mit seinen Leuten schon zwei Tage dort herumgetigert, und sie haben den Raum mit Energie aufgeladen, die ich als Musiker wiederum aufnehmen und weiterentwickeln konnte. Das ganze Energiefeld wurde durch meine intuitive Musik, die ja eine gesteigerte Form der improvisierten Musik ist, intensiviert. Man befindet sich in einem Kontinuum von Schwingungen. Das bezieht das Publikum immer mit ein. "Wie der Übergang in eine andere Welt gestaltet sich der Eintritt in Sankt Maternus, und Stille wird plötzlich hörbar", so hat es einmal der Musikjournalist Odilo Clausnitzer gesagt. Und dem würde ich voll und ganz zustimmen.
Markus Stockhausen und Rolf Zavelberg, vielen Dank für das Gespräch.