Zuversicht oder/und Zuflucht

Diakon Dr. Barthel Schröder geht dem Aspekt der Zuversicht in biblischen Texten – insbesondere in den Psalmen – nach und trifft die Unterscheidung zum Begriff "Zuflucht".

Jede Übersetzung ist eine Interpretation, beeinflusst vom Zeitgeist und der eigenen Glaubenswelt des Übersetzers. Dies zeigt die Verwendung der Worte "Zuversicht" und "Zuflucht" in den Psalmen.

Während sich die Einheitsübersetzung der katholischen Kirche eng an den hebräischen Text anlehnt und daher dreimal das Wort "Zuversicht" und zwanzig Mal das Wort "Zuflucht" in den Psalmen nutzt, verwendet die neue Lutherbibel dreißig Mal das Wort "Zuversicht", zweimal das Wort "Zuflucht" sowie dreimal andere Worte wie "Stärke" und "Heil" für die gleichen Worte des Urtextes.
Durch die unterschiedliche Nutzung der Worte "Zuversicht" und "Zuflucht" werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt.

"Zuversicht" ist "das feste Vertrauen auf etwas zu erwartendes Gutes". Der Begriff stellt den einzelnen Menschen in den Vordergrund. Seine Hoffnung auf Gott steht außer Frage. Er muss von sich aus nichts unternehmen: "Herr und Gott, meine Zuversicht von Jugend auf. Vom Mutterleib an habe ich mich auf dich gestützt." (Ps 71, 5) "Zuversicht" beschreibt die Erfahrung eines Lebens in einer fraglos gläubigen Welt, wie sie einmal war, doch heute nicht mehr ist.

"Zuflucht" weist auf eine Person oder einen Ort hin, den man in der Not aufsuchen kann. Es wird ohne Zusage einer Lösung der Probleme, die zur Flucht führten, nur Schutz gewährt. Und Schutz erfährt nur der, der sich auf den Weg zu dieser Person oder diesem Ort macht. Ist der Ort der Zuflucht Gott selbst, so darf man aufgrund von Erfahrungen auf Hilfe hoffen: "Gott ist uns Zuflucht und Stärke, als mächtig erfahren, als Helfer in allen Nöten." (Ps 46, 2) Diese Hoffnung kann aber auch enttäuscht werden: "Du bist der Gott meiner Zuflucht. Warum hast Du mich verstoßen?" (Ps 43, 2)

Unsere Zeit ist durch eine tiefe Gotteskrise geprägt. Seine Existenz ist nicht mehr selbstverständlich. Kriege, Naturkatastrophen, Hungersnöte und unverdientes menschliches Leid lassen viele Menschen an ihm zweifeln. Daher ist der Begriff "Zuflucht" nicht nur die Antwort des Volkes Israel auf seine Not in der Verbannung, sondern ist auch die geeignete Antwort auf unsere Erfahrungen heute: "Gott nahe zu sein, ist gut für mich, ich habe Gott, den Herrn zu meiner Zuflucht gemacht. Ich will erzählen von all seinen Taten." (Ps 73, 28)